Ein Paradies für 100 Tiere

Sonja Stefan und Thorben Elbracht füttern die Kaninchen auf dem Tierschutzhof. Sonja Stefan hat Leckerlies dabei, die Pferde kommen zum Schnuppern. Fotos: Fiona Lechner
Ein paar Handgriffe, und die Gitterzäune sind verschwunden, die den Kaninchen-Auslauf von der speziellen Blühwiese trennen – die „Außensaison“ ist für die kleinen Nager eröffnet. Sonja Stefan, Leiterin des Tierschutzhofs Hachmühlen, stellt die Zäune beiseite und zeigt den Tieren, dass sich ihr Territorium erweitert hat.
Die ersten Kaninchen hoppeln schon ins tiefe Gras, nur die braunen Ohrspitzen gucken noch heraus. So niedlich sie auch sind: „Die Kaninchen sind unsere teuersten Tiere hier“, ordnet Stefan ein. Viele Menschen schafften sich die kleinen Nagetiere mit dem flauschigen Fell als Haustiere an, ohne sich zu informieren, was das kostet - von den immer mehr geforderten Impfungen über das tägliche Frischfutter bis hin zu Behandlungs- und Untersuchungskosten beim Tierarzt.
Die Kaninchen-Pflege ist nur ein Posten auf der langen Liste der Kosten, die den Tierschutzhof belasten. „Es ist kaum noch zu bewältigen“, berichtet Stefan über steigende Kosten für den Unterhalt der Tiere auf dem Hof als auch für die Medikamente und die Pflege. Als Organisation, die sich aus Spenden finanziert, kommt der Hachmühler Verein ins Schwimmen.
Auch der organisatorische Aufwand auf dem Gnadenhof ist enorm. „Es muss immer jemand hier sein, an jedem Tag im Jahr.“ Ein Team von Freiwilligen und festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht bereit. „Nur mit Ehrenamtlichen ist die Arbeit hier nicht zu leisten.“ Doch das bedeutet auch steigende Personalkosten.
„Im Vergleich zu 2020 haben sich die Tierarztkosten verfünffacht“, rechnet Stefan durch. Impfungen, spezielle Medikamente, regelmäßige Untersuchungen: „Manche Tiere brauchen täglich Medikamente, ein Leben lang“, erklärt die Leiterin des Tierschutzhofs. „Mit einer 20-Euro-Patenschaft ist es dann leider nicht getan.“
Ein Beispiel: Die Kosten für die Einstreu hätten sich seit der Gründung des Hofs im Jahr 2018 mehr als verdoppelt. „Manchmal mache ich den ganzen Tag nichts anderes, als dafür zu sorgen, dass Geld reinkommt“, berichtet Leiterin Stefan.
Ponys und Pferde, Hühner und Enten, Kaninchen, Meerschweinchen, Hunde und Katzen - rund 100 Tiere leben auf dem Hof in Hachmühlen. Viele davon sind krank und müssen besonders umsorgt und behandelt werden. Medizinisches Wissen rund um Medikamente und die richtige Versorgung jedes Tieres sind für Stefan und ihr Team eine wichtige Grundlage, um den Tieren die Fürsorge zukommen zu lassen, die sie verdient und in ihrem früheren Leben häufig nicht erhalten haben. Durch verschiedene Schulungen und die Hilfe der Tierärztin, die mindestens einmal in der Woche vorbeischaut, weiß jeder auf dem Hof, was zu tun ist.
„Wir müssen strenge Hygienemaßnahmen einhalten“, erklärt Stefan. Wer in ein Gehege geht, trägt Überzieher über den Schuhen, im Fall der Fälle auch Handschuhe. So lässt sich vermeiden, dass sich Krankheiten unter den Tieren ausbreiten. Regelmäßig kontrolliert außerdem das Veterinäramt die Bedingungen auf dem Hof der Stefans.
Um mit den laufenden Kosten mithalten zu können, müssten aber entweder die Versorgungsqualität heruntergesetzt oder weniger Tiere aufgenommen werden, sagt Stefan. Gleichzeitig häufen sich die Anfragen von Besitzern, die sich ein Tier, das immer teurer wird, selbst nicht mehr leisten können.
Die meisten Tierschutzhof-Bewohner sind alt oder krank - Hühner, die keine Eier mehr legen, Versuchskaninchen aus dem Labor oder Katzen aus schlechter Haltung. Zwei der Ponys wurden vor der Schlachtung gerettet. Um bald wieder mehr Tiere aufnehmen zu können, strukturieren die Helferinnen und Helfer die Gehege zurzeit um.
Früher haben die Mitarbeitenden Tiere an neue Familien vermittelt. Das machen sie nicht mehr. „Viele Tiere wurden zurückgegeben, auch nach Jahren“, berichtet Stefan. Für nur kurzfristige Vermittlungen sei der Aufwand zu groß. „Die Tiere sind keine Ware, sie sollen nicht dauernd herumgereicht werden“, findet die Hofleiterin.
Blühwiesen reihen sich auf dem Hof in Hachmühlen an Kräuterbeete, im Schuppen stehen Körbe voll mit frischem Salat, Karotten und anderem Gemüse - hauptsächlich Spenden, etwa aus der Lebensmittelrettung. Um Futterkosten zu sparen, pflanzt Stefan mit ihrem Team selbst essbare Pflanzen und Kräuter an - die können auch kranken Tieren helfen. Erst kürzlich haben sie Hochbeete errichtet.
Wenn man über die Wiesen läuft, muss man aufpassen, keine Hühner oder Enten zu übersehen, die sich auf dem Grundstück frei bewegen dürfen. Zur Schlafenszeit kommen die 17 Hühner und 2 Enten in den Auslauf. Das sind die Tiere gewohnt, „manchmal lassen sie sich aber erst bitten”, schmunzelt Stefan. Raschelt sie mit einer Dose voller Mehlwürmer, kommen sie rasant angelaufen.
Was auf dem Tierschutzhof täglich anfällt, ist nicht allein zu bewältigen. Umso dankbarer ist Hofleiterin Stefan über ihr „richtig tolles Team“: „Man lacht zusammen, man weint zusammen - und jeder unterstützt jeden.“Das unterstreicht auch Thorben Elbracht, der aktuell seinen Bundesfreiwilligendienst (Bfd) auf dem Hof verbringt. Nach dem Abitur wusste er nicht, was er machen will - durch den Tierschutzhof hat er seine Richtung gefunden: „Man hat hier viel Zeit, sich Gedanken zu machen.“ Draußen zu arbeiten liegt ihm, habe er gemerkt. Ab Herbst geht es für den 20-Jährigen mit einem Studium der Geowissenschaften weiter.
Zurzeit üben drei Mitarbeitende ihren Bundesfreiwilligendienst auf dem Gnadenhof aus. Ab August werden neue Stellen frei. „Einen BFD kann man in jeder Lebenslage machen“, gibt Stefan einen Tipp. Wer ernsthaft überlegt, sich auf dem Tierschutzhof freiwillig zu engagieren oder einen Bundesfreiwilligendienst oder ein Praktikum zu absolvieren, meldet sich unter info@tierschutzhof-hachmuehlen.de.