Die Mutter des Grundgesetzes

Eine starke Dr. Frau, Elisabeth, dargestellt von der starken Schauspielerin Iris Berben.

Eine starke Dr. Frau, Elisabeth, dargestellt von der starken Schauspielerin Iris Berben.

Sie hat die Ärmel hochgekrempelt und mit vollem Einsatz für die Rechte der Frauen gekämpft: Elisabeth Selbert, geborene Rohde. Eine der Mütter des Grundgesetzes war jetzt Thema der Film-AG in Bad Münder. Selbert wurde 1896 in Kassel geboren.

VON HORST VOIGTMANN

Sie hätte sich gern den Wunsch erfüllt, ein Gymnasium zu besuchen, um Lehrerin werden zu können. Ihre Herkunftsfamilie konnte diesen Wunsch aus finanziellen Gründen nicht erfüllen. Sie erlernte einen kaufmännischen Beruf und arbeitete später im Telegrafenamt.

1918 lernte sie ihren späteren Ehemann Adam Selbert kennen. Er war Mitglied der SPD. Mit ihrem späteren Ehemann besuchte sie politische Veranstaltungen der Sozialdemokraten und trat Ende 1918 in die SPD ein. Ihr Thema war die Gleichberechtigung.

1920 war sie Delegierte der ersten Reichsfrauenkonferenz in Kassel. Sie machte die Delegierten darauf aufmerksam, dass die Weimarer Verfassung zwar festlegte, dass Männer und Frauen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte haben, doch die Realität sah anders aus. 1920 heirateten Elisabeth und Adam Selbert. Ein Jahr später bekam sie das erste Kind, kurz darauf folgte ein zweites. Trotzdem arbeitete Elisabeth weiter im Telegrafenamt und engagierte sich politisch. Sie gewann die Überzeugung, dass ihr eine juristische Bildung helfen würde, politisch effizienter wirken zu können. Also bereitete sie sich im Selbststudium vor und bestand 1925 als Externe das Abitur. Im Alter von 30 Jahren begann sie – als einzige Frau – ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, zunächst in Marburg später in Göttingen. Hier war sie eine von fünf Frauen unter mehr als 300 Studierenden.

Während Elisabeth Selbert studierte, kümmerte sich ihr Mann Adam zusammen mit den Schwiegereltern um Kinder und Haushalt. Nach sechs Semestern schloss Selbert ihr Studium mit Auszeichnung ab und promovierte danach zum Thema Scheidungen. 1934 legte sie das zweite Staatsexamen ab und stellte den Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft, noch bevor die Nationalsozialisten es Frauen verwehrten, als Anwältinnen zu arbeiten. Die Vorschläge, die sie in ihrer Dissertation anführte, wurden erste gut 40 Jahre später in der Bundesrepublik durch die Eherechtsreform umgesetzt. Nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft war sie– als einzige Frau– an der Erarbeitung der Hessischen Verfassung beteiligt und wurde dann in den Parlamentarischen Rat entsandt. Dieses Gremium, bestehend aus gut 60 Männer und nur vier Frauen.

Sie sollten eine Verfassung für den neuen, demokratischen Staat erarbeiten. Elisabeth Selbert griff auch hier ihr Lebensthema auf: die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Fast im Alleingang sorgte sie dafür, dass dies ein unserem Grundgesetz verankert wurde.

Nach dem Film, zu dem dem mündersche Film-AG eingeladen hatte, unterhielten sich Pastor Dietmar Adler und die stellvertretende Bürgermeisterin Susanne Bubat-Hahn über die Frage, ob die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen damit erreicht sei. „Elisabeth Selbert hat einen langen Kampf geführt und es ist immer noch ein langer Kampf“, sagt die Kommunalpolitikerin Bubat-Hahn. Bemerkenswert für diese Zeit sei die Unterstützung durch die Familie und besonders durch ihren Mann. Aus ihrer Betriebsratsarbeit weiß Bubat-Hahn, dass Frauen in vielen Berufsgruppen bei gleicher Arbeitsleistung immer noch deutlich weniger Lohn als männliche Kollegen bekommen. In der Kommunalpolitik seien Frauen sehr selbstbewusst geworden, sagt Bubat-Hahn. „Frauen haben heutzutage auch Berufe, in denen sie Durchsetzungskraft zeigen müssen. Das spiegelt sich auch in den Fraktionen wieder.“

Unverständnis herrschte bei den Gästen der Filmvorführung, dass die Gleichberechtigung zwar 1949 ins Grundgesetz aufgenommen wurde, aber erst in den 1970er Jahren Frauen nicht mehr auf die Genehmigung ihrer Männer für Aufnahme einer Berufstätigkeit angewiesen waren. Auch die Eröffnung eines Bankkontos war lange ohne die Genehmigung nicht möglich. Es reiche eben nicht, eine einfache Formulierung im Grundgesetz zu haben, „wir müssen uns immer wieder für die Menschenrechte und für die Demokratie einsetzen“, betonte Dietmar Adler.