Dem Leben lyrisch nachsinnen

In der Schulzeit habe er noch nicht sehr gern geschrieben, gesteht Karlfried Rose. Doch dann änderte sich das: „Ich hatte in der fünften und sechsten Klasse einen wieder rekrutierten Deutschlehrer, einen älteren Herrn, über 65 Jahre alt. Der hat uns damals die Liebe zum geschriebenen Wort in Form von Gedichten beigebracht“, erinnert sich Rose.

VON HORST VOIGTMANN

„Wir haben sie auswendig gelernt und er hat sie uns vorgetragen, in Lebendigkeit, die mir heute noch im Gedächtnis ist. Er hat in mir die Liebe zum gereimten Wort geweckt.“

Am Heiligen Abend, im Jahr nach seinem Abitur, findet Karlfried Rose unter dem Tannenbaum ein Buch mit unbedruckten Seiten. Ein Geschenk eines guten Freundes. Eigentlich war es als Tagebuch gedacht. Er habe dort hin und wieder etwas hineingeschrieben, keine Tagebuchnotizen, sondern Gedichte. Nach 30 Jahre war dieses Buch dann voll.

„Seit 1986 schreibe ich vermehrt, habe mir meine Situation dabei angeschaut, habe versucht, wahrzunehmen was um mich herum ist, die Natur zum Beispiel. Und ich habe begonnen, Gedichte zu schreiben, die sich nicht nur um mich selber drehen“, sagt er.

Rose hebt ein DIN A-4-Buch hoch: „Das ist jetzt der Band Nummer 18!“ Er schreibe inzwischen regelmäßig. Erst mit der Hand, dann setzt er sich an den Computer, um das Geschriebene zu bearbeiten und abzuspeichern. Und wenn er das Gefühl hat, dass es so gehen könne, lässt er seine Frau einen Blick darauf werfen. Sie sei sein Hausund-Hof-Inspizient, sagt er lächelnd - und ergänzt, dass er manchmal nach ihrer Kritik ziemlich grau aussehe. Gabriele Rose, die das mitbekommen hat, winkt ab und lacht.

Gelegentlich seien seine Verse nicht nur gedankenschwer, sondern auch heiter, sagt Rose und zeigt ein Gedicht dieser Art aus der Sammlung von 2023.

Im Scherz (II)

Was ich im Scherz gesagt,

ist manchmal recht gewagt,

klingt wohl verwegen.

Und spricht man mich drauf an,

erinnert mich daran,

macht es mich gar verlegen.

Zwar möcht ich locker scheinen,

damit die Leute meinen,

ich sei ein cooler Typ.

Doch nimmt man mich beim Wort,

ist alle Coolness fort.

Das ist mir gar nicht lieb.

Aus dem gleichen Jahr stammt auch ein kritisches Gedicht, das ein Problem unserer Zeit deutlich macht: Wir umgeben uns mit so vielen Dingen, die wir gar nicht unbedingt brauchen. Prall gefüllte Schubladen, drangvoller Enge auch in den Kleiderschränken. Karlfried Rose ist in seinen Texten auch manchmal ein Mahner, vielleicht auch im Blick auf eigene Schwächen?

Haben will!

Was man nicht hat,

das will man gerne haben,

sich an dem Heißbegehrten laben,

und denkt sich alles wunderschön.

Wenn man es endlich, endlich hat

und ist beim ersten Bissen satt,

fragt man enttäuscht:

„Das war es schon?

ist das bereits der ganze Lohn

für all den Aufwand, den ich trieb?

Ist das denn alles, was mir blieb?

Jedoch der Mensch lernt nichts dazu:

Das, was er sieht, will er im Nu

haben, haben, haben!

Gelegentlich sind es auch melancholische Gedichte, die zurückgehen in die Kindheit und von der kleinen Eisenbahn erzählen oder von dem Rennwagen, die für den Dichter Rose in Kindertagen von großer Bedeutung waren.

Mein Rennwagen

Das Kleine Ding aus Bakelit

fuhr nie in einem Rennen mit

im Kampf um Platz und Sieg.

Vier Räder dran, aus einem Teil,

so ähnlich wie ein Silberpfeil,

doch leider viel zu klein.

zum anderen war es gänzlich braun

und gar nicht silbrig anzuschauen,

und auch ein Motor fehlte.

Das kleine Ding aus Bakelit,

das machte einen Weltkrieg mit,

nun half es mir beim Träumen.

Rose hat auch einige Prosatexte geschrieben, auch Kriminalgeschichten, Geschichten, mitten aus dem Leben, Geschichten über Gedanken: „Ob Gedichte oder Prosatexte, das Schreiben ist eine gute Möglichkeit, mit quälenden Gedanken fertig zu werden.“ Regelmäßig trifft Rose sich mit Leuten, die wie er Gedichte schreiben. Dann lesen sie die Texte vor und sprechen darüber. Wenn das nicht Seelenhygiene ist!