Schaafstall feiert

Zwei junge Pianistinnen spielen zum Auftakt des Jahres im Schaafstall von Dr. Ernst Kirchertz. Foto: BR

Zwei junge Pianistinnen spielen zum Auftakt des Jahres im Schaafstall von Dr. Ernst Kirchertz. Foto: BR

„Konzerte-Theater-Ausstellungen“: Das ist seit 25 Jahren das Konzept von Kultur im Schaafstall, einem Kulturkleinod mit großer Strahlkraft. Der 1829 erbaute und 1985 restaurierte Schaafstall ist der älteste Teil eines Gebäudeensembles von Dr. Ernst Kirchertz - und dort wird seit einem Vierteljahrhundert ein vielseitiges Kulturangebot präsentiert.

VON ANNE BRINKMANN-THIES

Das hochkarätige Programm organisiert der ehemalige Chefarzt der Nephrologie im münderschen Krankenhaus.

Schon vor seinem Umzug nach Egestorf, sei er auf die mögliche Nutzung des Schaafstalls für die Öffentlichkeit angesprochen worden, erinnert Kirchertz. Für den Vorschlag, dort ein Dorfmuseum zu installieren, habe er sich zwar nicht erwärmen können, erzählt er mit einem Schmunzeln. Sehr wohl aber für die Idee, dort Events stattfinden zu lassen, um die Attraktivität des Ortes für Besucher zu steigern. Das Gebäude hat nicht eine Fußbodenheizung und eine professionelle Beleuchtungsanlage, die sich für Konzerte und auch für Theater-Aufführungen eigne, sondern auch eine sehr gute Akustik, berichtet Kirchertz. Die erste Veranstaltung im Mai 1999 war aber eine Ausstellung, in der seltene frühe Arbeiten des Hamburger Zeichners Horst Janssen gezeigt wurden. „Ich hatte schon in den 1970er Jahren angefangen, Horst Janssen zu sammeln, der damals als ’enfant terrible‘ galt“, erzählt Kirchertz. Eine Einführung in die Vernissage damals übernahm der Mediziner selbst, der viele Jahre auch dem Kunstverein Göttingen vorstand. Mit dem Sammeln von Kunst begann Kirchertz bereits als Student. Und sein Interesse für die Kunst, die Musik und das Theater rühre sogar seit Schulzeiten, erinnert er sich.

Heute kann sich der Kulturfreund kaum retten vor Anfragen von Künstlern, die in dem Schaafstall auftreten möchten. Insbesondere nach einem Beitrag im NDR über den Kultur-Schaafstall vor rund zehn Jahren. „Ich habe einen hohen Anspruch“, macht er deutlich. Dennoch kann er längst nicht alle Willigen unterbringen in seinem Veranstaltungsprogramm. „Manchmal bekomme ich sogar ein ganzes Orchester angeboten“, sagt er. Das findet natürlich keinen Raum in dem Kulturzentrum im Herzen von Egestorf mit Platz für 120 Besucher. Sehr wohl aber spielen hier preisgekrönte Ensembles und Pianisten.

Den Auftakt in diesem Jahr machen in der Reihe „Junges Jahr - junge Künstler“ die beiden hochbegabten Pianistinnen Zeling Shen und Krystsina Vavilonskaya. Sie spielen auf dem Yamaha-C3-Flügel, der bis 1999 noch in einem damaligen Haus Kirchertz im französischen Perigord stand. Der Schwerpunkt der Kultur-Veranstaltungen sei die Kammermusik , berichtet Kirchertz, der im Jahr 2012 einen Verein „Kultur im Schaafstall“ gründete und dem er bis heute vorsteht. Diesen Vorsitz würde er gerne abgeben und sucht verstärkt nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger. Der Verein zählt mehr als 140 Mitglieder. Zuvor war die Getour Bad Münder offizieller Veranstalter der Programmreihe. „Hausherr und Bestimmer war ich aber“, so Kirchertz.

Viele Künstler kommen regelmäßig in das schmucke Ensemble, sind sogar Freunde geworden. So wie etwa das Schauspieler-Ehepaar Lelsie Maltin und Felix von Manteuffel. Das Schauspieler-Ehepaar wird auch am 18. Mai die Jubiläumsveranstaltung des Schaafstalls gestalten mit einer szenischen Lesung: Dem Briefwechsel von Olga Knipper und Anton Tschechov. Auch Martin Walker; Schriftsteller mit schottischem Wurzeln und Wohnsitz im Perigord, war schon mehrfach für Lesungen zu Gast in Egestorf.

Dass Kirchertz fließend französisch spricht, verdankt er seiner Assistenzzeit am Pharmakologischen Institut der Universität Lausanne, wo er von 1972 bis 1977 arbeitete, bevor er nach Göttingen zog, wo er vom damaligen Pionier der Dialyse Professor Fritz Scheler als Mitarbeiter ausgewählt wurde. „Meinen Beruf habe ich geliebt“, sagte Kirchertz bei einer anderem Gelegenheit. Bis 2006 führte er als Chefarzt neben einer 20-Betten-Station und einer ambulanten Dialyseeinrichtung auch noch eine eigene internistische Praxis in den Räumen der Deister-Süntel-Klinik. Danach ließ er sich in einem MVZ anstellen, bevor er im Jahr 2017 in den Ruhestand ging.

Stolz ist der Kunstmäzen Kirchertz im Rückblick auf die 25-jährige Geschichte seines Kulturkleinods besonders auf zwei Ausstellungen. Da war zum einen jene mit den Werken des Künstlers Jussuf Abbo, eines jüdisch-palästinensischen Exilkünstlers. Diese Werke – darunter viele Zeichnungen und Graphiken – schenkte Kirchertz 2019 dem Sprengel-Museum. Und auch Exponate einer Ausstellung aus dem Nachlass von Elas Burghardt-Blume hat das Kunstmuseum übernommen. Diese Künstler, so erzählt Kirchertz, habe er noch kurz vor ihrem Tod 1973 persönlich kennengelernt. Persönliche Beziehungen zu den Künstlern sind dem Kunstliebhaber ohnehin wichtig. Die Jahresauftakt-Veranstaltung unter dem Motto: „Junges Jahr - Junge Künstler“ findet am Samstag, 24. Februar, um 17 Uhr im Schaafstall, Im Dorfe 16, statt Karten gibt es bei der GeTour, Telefon 05042/929804, bei Bücher Wanderer, Telefon 05042/3500 und über den Verein „Kultur im Schaafstall“, Telefon 05042/912760.

Und das sind die weiteren Termine in diesem Jahr: Am 13. April folgt die szenisch-musikalische Lesung „Die Mütze“ nach Thomas Bernhard. Am 18. Mai: „Dein Hund - Dein Mönch“ - Szenische Lesung des Briefwechsels Anton-Tschechow - Olga Knipper mit Leslie Malton und Felix von Manteuffel. Am 6. Juli - allerdings nur für Mitglieder des Vereins - gibt es ein musikalisches Kabarett mit Gerrit Zitterbart und Klaus Pawlowski Am 16. November spielen Haiou Zhang (Klavier) und das Elphier-Quartett Klavierquintette von Johannes Brahms und Frank Bridge. Alle Veranstaltungen finden immer samstags statt – und immer um 17 Uhr.