Haar für Haar gegen Öl im Meer

Wo geschnitten wird, fallen Haare. Und das nicht zu knapp. Über viele Jahre hat Monika Hawlitschka das, was der schicken Frisur ihrer Kundinnen im Weg war, direkt auf den Boden und dann weiter in den Abfall befördert. Doch damit ist seit geraumer Zeit Schluss.

VON JENS RATHMANN

Die Inhaberin des Friseursalons Coiffeure Monique unterstützt mit großem Engagement ein Projekt zur Verbesserung der Wasserqualität der Meere. „Hair help the oceans“ heißt das Projekt, und aufmerksam wurde die Springerin darauf durch Veröffentlichungen über einen Kollegen, der nicht weit entfernt einen Salon betreibt: Emidio Gaudioso, Friseurmeister aus Bückeburg. Der hatte sich mit Thomas Keitel, Unternehmensberater für Friseure, zu einem Start-up zusammengefunden, um eine Idee aus Frankreich publik zu machen: Die Reduzierung der Meeresbelastung durch Öle und Fette. Dabei setzen die Initiatoren auf eine zentrale Erkenntnis: Haare besitzen die besondere Eigenschaft, viel Fett aufnehmen zu können – und diese Funktion auch nach dem Schneiden nicht zu verlieren. „Daher eignen sie sich hervorragend dazu, als natürliches Reinigungsmittel gegen Verschmutzungen wie Öl, Benzin und Sonnenmilchreste in Gewässern wie Meeren, Flüssen und Seen eingesetzt zu werden“, beschreibt Emidio Gaudioso das Prinzip.

Abgeschnittene Haare, in Friseursalons Abfall, die so sinnvoll eingesetzt werden können? Monika Hawlitschka war Feuer und Flamme. „Der Schutz der Meere liegt mir am Herzen. Ich tauche selbst gerne, gehe gerne schnorcheln. Da war für mich ganz schnell klar: Da mache ich mit“, berichtet sie. Sie meldete sich für die Teilnahme an der Aktion an, zahlt als Patin monatlich einen Obolus, der für die Abholung der gesammelten Haare in ihrem Salon und zur Unterstützung der Aktion verwendet wird.

„Gut investiertes Geld“, findet Hawlitschka – und wirbt auch bei Kunden, die sich für das Projekt interessieren, für die Idee. Mit abgeschnittenen Haarresten natürlich und nachhaltig die Reinigung von Meeren, aber auch von Flüssen und Seen durchzuführen, das habe Charme. „Meine Kunden finden das toll, unterstützen das.“

Und so wandert der große Beutel mit Haarresten zum Feierabend nicht mehr in den Restmüll, die Haare werden gesammelt und dann regelmäßig von „Hair help the oceans“ zur weiteren Verarbeitung abgeholt.

Für die „Haarfilter“ nahmen sich Emidio Gaudioso und Thomas Keitel den französischen Verein „Coiffeure Justes“ aus Südfrankreich zum Vorbild, der die Haare in alte Nylonstrümpfe füllt, diese zu Rollen bindet und dann als Filter in verschmutzten Gewässern einsetzt. „Die Saugfunktion des Haarfilters zieht das Öl aus dem Wasser. Er wird anschließend gereinigt und kann bis zu achtmal wiederverwendet werden. Ein Kilogramm Haar kann bis zu acht Kilogramm Öl aus dem Wasser filtern“, fassen die „Hair help the oceans“-Macher das Verfahren zusammen.

Haarfilter können weltweit eingesetzt werden – beispielsweise vor Industriegebieten und an Küsten, um Öle, Treibstoffreste und Sonnenmilch aus dem Wasser zu filtern. Im Sommer 2019 kamen die Haarfilter auch vor Mauritius zum Einsatz, als dort ein Frachter auf Grund lief und mehrere Tausend Tonnen Öl verlor.

Ganz praktisch wurde das Prinzip der Haarfilter erst kürzlich auf der Weser demonstriert: Unterstützt von Freiwilligen der Feuerwehr demonstrierte Emidio Gaudioso, wie auf der Wasseroberfläche schwimmendes Öl und Benzin mit Haaren aufgefangen werden kann.

„Ich finde das Projekt prima, zumal es auch die Aufmerksamkeit auf die Problematik der zunehmenden Meeresverschmutzung lenkt. Was mit unseren Ozeanen passiert, ist schlimm“, sagt Monika Hawlitschka. Den Mehraufwand, die Haare zu sammeln und zu verschicken, übernehme sie dafür gerne.