Aus für den Liederkranz

Nach 150 Jahren wird die Geschichte des Gesangvereins Liederkranz enden. Die letzte Mitgliederversammlung im Kornhus hatte jetzt nur ein wirklich zentrales Thema: den Beschluss über die Auflösung.

„Wenn ich überlege, welch‘ reges Vereinsleben wir hatten, bis die Seuche ausbrach, können einem die Tränen kommen. Aber wir werden uns der Tatsache stellen müssen, dass der Verein nicht wieder in Gang kommt.“ Der Liederkranz-Vorsitzende Friedrich Niemeier ließ schon zu Beginn der Versammlung keine Zweifel daran aufkommen, wohin die Reise des Traditionsvereins führt.

Seit 47 Jahren steht er dem Verein vor, und so ist seine Betroffenheit echt, wenn er sagt: „Das wird der traurigste Beschluss, den wir jemals gefasst haben. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Wir werden den Verein zum 31. Dezember 2022 auflösen.“

Diskutiert werden musste diese Entscheidung nicht mehr, bereits im vergangenen Herbst hatte der Vorstand die Debatte mit den Mitgliedern geführt, nachdem auch im zweiten Corona-Jahr das Vereinsleben quasi zum Erliegen kam, immer weniger Aktive in der Sängerliste standen – und nicht sangen, denn: Präsenz-Chorproben sowie Konzerte waren lange Zeit durch Corona-Verordnungen ausgeschlossen, das Vereinslokal mit dem Probenraum geschlossen.

Lediglich 18 Sänger und neun Sängerinnen zählte der 63-köpfige Verein Ende 2021, wie Werner und Margret Luther in ihren Berichten feststellten. Austritte sind der Grund – aber auch das Totengedenken zu Beginn der Versammlung mit der Erwähnung der Verstorbenen machte deutlich, dass sich die Mitgliederzahl stetig reduziert.

Nach der Jahresversammlung im vergangenen Jahr war klar, dass der Verein auslaufen sollte – im Jahr des 150-jährigen Bestehens. Bei Stammtischen wurde in der Folge diskutiert, wie das Vereinsende gestaltet werden kann. Die Mitgliederbeiträge wurden auf einen minimalen Satz abgesenkt, das für Vereinsaktivitäten angesparte Geld soll in diesem Jahr für Veranstaltungen ausgegeben werden.

In der letzten Versammlung wurde der Vorstand bestätigt, nachdem Niemeier einen Wahlvorschlag unterbreitet hatte: „Wir wollen das nicht neuen Schultern aufbürden, sondern das bittere Ende selbst gestalten“, hatte er erklärt – und die Versammlung bestätigte das Team mit Niemeier an der Spitze, Jürgen Sander als stellvertretendem Vorsitzenden, Bernd Niemeister als Kassenwart und Werner Luther als Schriftführer. „Sie werden das mit Würde zu Ende bringen“, war aus der Versammlung zu hören. Als Niemeier kurz darauf – die Versammlung war 35 Minuten alt – um Abstimmung bat, wurde die Auflösung des Vereins zum Jahresende bei einer Gegenstimme angenommen. Zu Liquidatoren des Vereins bestimmten die Mitglieder anschließend Jürgen Sander und Werner Luther.

Mit einer ungewöhnlichen Bitte Werner Luthers endete schließlich die Versammlung: Die Mitglieder des Gesangvereins sollten von jedem Gesang, auch an der Theke, Abstand nehmen: „Wenn wir jetzt singen, gilt das als Chorkonzert. Und wenn hier jemand von der GEMA rumsitzt, dann sind wir dran.“

Zum 150-jährigen Bestehen des Gesangvereins Liederkranz soll es am 24. September einen Festakt im Martin-Schmidt-Konzertsaal geben – er wird gleichzeitig die Abschiedsfeier. Der ehemalige Chorleiter Reinhard Großer wird auftreten, Jürgen Sander wird einen Festvortrag halten. Außerdem werden Chöre von der Liederkranz-Platte aus dem Jahr 1976 zu hören sein. Chormitglied Oliver Barkmann hat eine CD erstellt. „Eine Erinnerung daran, was wir mal waren, was wir mal konnten“, erklärt Friedrich Niemeier.

Im Anschluss an den Festakt wird es einen Imbiss geben, zu dem auch ehemalige Mitglieder geladen werden. Chormitglied Ralf Grube wird Bilder aus der Liederkranz-Geschichte zu einer Collage zusammenstellen, die dann in Schaufenstern der Volksbank zu sehen sein wird.