Eine Ära geht zu Ende

Seit 115 Jahren ist der Name Thielscher mit der Fotografie verbunden. Damals fing für Hermann Thielscher seine Lehre in der Werkstatt für künstlerische Fotografie bei Max Glauber in Oppeln an.

VON HORST VOIGTMANN

Am 9. April 1910 konnte Hermann Thielscher seinen Gesellenbrief mit der Note sehr gut und ein äußerst positives Zeugnis seines Lehrherren entgegennehmen. Schon einige Jahre später wagte er den Schritt, ein eigenes Labor in Hirschberg zu gründen.

Im Ersten Weltkrieg wurde er um Militär eingezogen und musste seiner Frau Elisabeth Atelier und Fotogeschäft überlassen. In diesen unruhigen Zeiten wurden den Eheleuten Thielscher zwei Jungen geboren. Der zweite, Joachim-Karl, sollte später in die Fußstapfen seines Vaters treten. Zwischen 1934 und 1936 absolvierte er seine Lehre im Atelier seines Vaters.

Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs heiratete Joachim Thielscher Johanna Kamin, die Laborantin im Geschäft der Eltern war.

Nach Kriegsende wurde die Familie, wie fast alle Deutschen, aus der schlesischen Heimat vertrieben. 1946 kam sie mit einem Viehwaggon in Bad Münder an. Alles, was sie in einem Fotoatelier benötigten, hatten sie in Hirschberg zurücklassen müssen. Von der Brockhoffstraße aus konnten sie auf abenteuerliche und kreative Art und Weise in Görlitz eine Plattenkamera für Porträtaufnahmen erwerben und aus Schrottabfällen Aufnahmelampen für das Atelier herstellen.

1947 konnte dann die Arbeit zwar beginnen, aber die Fotoarbeiten entstanden in den gleichen Räumen, in denen die Familie wohnte. Das änderte sich erst 1949, als Hermann Thielscher einen Pachtvertrag für die Geschäftsräume in der Echternstraße 11 unterschreiben konnte, in der auch derzeit das Unternehmen noch seine Dienste anbietet. Viele Aufträge aus der Industrie im Deister-Süntel-Tal zur Herstellung von Prospektmaterial wurden von Hermann und Joachim Thielscher angenommen und erledigt. Bei allen wichtigen Ereignissen in Bad Münder wurden Fotos geschossen, aus denen im Jahre 1960 ein erster umfangreicher Band entstand.

Als Joachim Thielschers Ehefrau Johanna 1963 verstarb, fehlte dem Fotomeister eine zusätzliche Arbeitskraft in seinem Atelier und Labor und er erinnerte sich an seine erste Auszubildende, Ursula Thomaschofski, die zu der Zeit in einem Fotostudio in Köln beschäftigt war. Er bot ihr einen Arbeitsvertrag an. Sie kam zurück nach Bad Münder. Die beiden verstanden sich sehr gut und so kam es 1975 zur Eheschließung.

Auch nach dem Tod von Joachim Thielscher führt Ursula Thielscher das Atelier und Ladengeschäft weiter. Diese Phase wird aller Voraussicht nach im Frühjahr enden, denn das Haus, in dem sich der Laden befindet, ist verkauft und die Kündigung für das Ladenlokal liegt vor.

Die Verbundenheit zu Bad Münder haben Joachim und Ursula Thielscher immer sehr ernst genommen, „denn ein Fotograf hat mit der Erinnerungskultur eines Ortes zu tun“, sagt Ursula Thielscher.