Schafe als Ruhepol

Wo mähen doof ist, helfen Gandalf, Hubertus, und Gefährten gerne aus. Die „Boygroup“ ist Teil einer kleinen Herde von Skudden in Bad Münder.

Der Fortbestand dieser alten Haustierrasse gilt seit Jahrzehnten als gefährdet. Andererseits geschieht es nicht selten, dass Menschen sich in die eigenwilligen Tiere schockverlieben.

Mit stark gewundenem Schneckengehörn sieht kein Bock wie der andere aus. Und wo zuvor verwilderte Wiesen durch gemütliche Gefräßigkeit zu gepflegten Landschaften werden, ist es nicht weit zu einer tief empfundenen Idylle. „Egal wo wir hinkommen, sind die Schafe ein Blickfang, und wir bekommen viel positives Feedback“, sagt die 37-jährige Jasmin Heber aus Nettelrede.

Gerade grasen sieben Schafe am Deisterhang auf einer alten Streuobstwiese in unmittelbarer Nähe zu den Kliniken. Ihre Artgenossen halten die Wiesen an Regenrückhaltebecken in Schach. Böschungen machen den lebendigen Rasenmähern nichts aus. Sie verrichten ihr Tagewerk ziemlich geräuschlos und sind dabei hübsch anzuschauen. Jeden Tag sehen Markus Schreck und Jasmin Heber bei ihren Schafen nach dem Rechten; bringen frisches Wasser, ein paar Möhren. Nicht weil die Tiere mehr Futter bräuchten. Sondern um guten Kontakt zu pflegen.

Denn so aufmerksam die kleinen Schafe auch sind, so sehr ähneln sie ihren wilden Vorfahren. „Vikingerschafe“ nennen die beiden Mittelaltermarkt-Fans ihre Tiere liebevoll, denn tatsächlich sollen Skudden von keltischen Schafen abstammen und waren vor allem im Baltikum verbreitet.

„Es ist schon wichtig, dass sie zahm bleiben, damit wir regelmäßig die Klauen pflegen und auch die Wolle scheren können“, erklärt Markus Schreck. Eines der Schafe hat ein solches Faible für Brombeerbüsche, das es sich immer wieder in missliche Lagen bringt und befreit werden muss. Bock Hubertus ist mal tiefenentspannt und mal im wahrsten Sinne des Wortes bockig. „Ohne gewisse Ruhe geht bei den Schafen gar nichts; wenn wir hektisch ankommen und mal eben schnell alle verladen wollen, können wir es gleich sein lassen“, sagt Schreck.

Die Skudden verbreiten Ruhe und fordern sie auf ihre Art ein. Was sie auszeichnet ist die enorme Fähigkeit, Wind und Wetter zu trotzen. „Die bringen ihre Lämmer im Schnee zur Welt“, berichtet Jasmin Heber „selbst bei minus 20 Grad“. Tatsächlich leben sie das ganze Jahr draußen, brauchen vergleichsweise wenig menschliche Unterstützung. „Den Unterstand nutzen sie fast nur, wenn es kräftig regnet oder stürmt“, sagt Schreck.

Skudden wurden weder darauf gezüchtet, besonders viel Milch zu geben, noch darauf, großen Fleischertrag zu liefern. Allerdings gilt ihr Fleisch als Delikatesse. „Das ist mit keinem Lammfleisch in der Kühltheke zu vergleichen“ sagt die 38-jährige Versicherungsfachfrau. Mit anderen Worten: Jedes Jahr springt ein Teil der Herde über die Klinge. Ein befreundeter Schlachter übernimmt diesen Part, fährt die Tiere zum Schlachthof und bereitet Braten, Bratwurst und Schinkengriller vor. Damit es sich lohnt, müssen mindestens vier Schafe pro Jahr ihr Leben lassen. „Da wählen wir zum Beispiel solche aus, die massiven Überbiss haben und damit schlechtere Überlebenschancen“, sagt die Hobbyzüchterin. Bei einem jungen Bock wachsen die Hörner so eng, dass sie auf Dauer Probleme machen würden.

Die sorgsam mit der Schere geschorenen Skuddenwolle verarbeitet Jasmin Heber zu Schafvlies – die Felle ohne Leder weisen Wasser ab und isolieren hervorragend. „Die schönste Sitzunterlage am Lagerfeuer“, sagt Markus Schreck. Bis zu 45 Minuten kann es dauern, bis die beiden ein Schaf geschoren haben.

Fürs Filzen gehen weitere Stunden ins Land. Die Skudden-Zucht der beiden Münderaner ist ein Projekt mit viel Zeit an der frischen Luft in bester Gesellschaft, ohne wirtschaftliche Ambition, dafür aber mit großem Engagement und einer Spur Idealismus.