Das Credo heißt Veränderungen

In 145 Jahre passen mehrere Menschenleben. Erst recht mehrere Arbeitsbiografien nacheinander und nebeneinander. War die Gründung des Kaufhauses Döring noch die Sache eines Einzelnen, so ruht der Erfolg des Kaufhauses bis heute auf vielen Schultern. Jetzt, zum 145. Geburtstag des Kaufhauses sei Zeit auch sie zu feiern, findet Inhaber Michael Engel. Am rustikalen Gemeinschaftstisch hinter Verkaufsfläche, Lager und Büro erzählt er von den Herausforderungen seiner Vorfahren in ihrer jeweiligen Zeit und den Charakterköpfen der Familie.

VON KATHARINA WEIßLING

Von Urururgroßvater und Gründer Georg Döring ist nicht viel bekannt. Als Tuchhändler aus dem Eichsfeld kam er nach Bad Münder, wo er klassisch mit Kutsche über die Dörfer fuhr und Kunden belieferte. Seinem Sohn Georg Döring vermachter er sowohl Namen als auch Handel. Der wiederum betrieb mit seiner Frau ein erstes, kleines Ladengeschäft an der Langen Straße 8. In den 1930er Jahren sollte dessen Sohn, Georg Döring III seine Verlobte Veronika, eine Bankkauffrau aus Hannover, in die Ziegenbuche ausführen und ihr das Landleben schmackhaft machen. „Die konnte sich das erst gar nicht vorstellen und sprang dann doch ins kalte Wasser“, erzählt Michael Döring.

Als Georg Döring zur Wehrmacht eingezogen wurde, führte sie die Geschicke des Hauses weiter. Pragmatisch mit dem festen Willen, das anzubieten, ‚was die Leute brauchen‘ und was sie ranholen konnte. Töpfe und Pfannen kamen ins Sortiment. Für besondere Unterwäsche fuhr sie mit dem Zug auf die schwäbische Alb, verhandelte, kaufte ein und band sich die heiße Ware später so geschickt um den Leib und unter die Kleidung, dass sie unbehelligt heimfahren konnte. „Da wurden die Waren ja zugeteilt und so etwas gab es allenfalls unter dem Ladentisch“, sagt Engel. 1941 kam seine Mutter Margarethe zur Welt, später die Schwestern Monika, Elisabeth und Angelika. Kurz vor Kriegsende musste das Kaufhaus schließen – auf Anordnung. Die Großelterngeneration überstand das alles. Aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt fand Georg Döring wieder zurück ins Geschäft. Während seine Frau im inneren anpackte, organisierte und die Strippen zog, begrüßte er die Kunden mit Handschlag – und gerne auch Zigarre rauchend vorm Ladengeschäft.

In den 1960er Jahren wurde das Nachbarhaus dazugekauft. „Mitte der 1960er Jahre begann der Kaufhausboom, die Zeit, in der die Karstadts und Kaufhofs hochkamen“, erzählt Michael Engel. Auch in Bad Münder vollzog sich das nachkriegsdeutsche Wirtschaftswunder. „Zu der Zeit hat Oma einen Kaufhausverband aufgetan, der günstige Konditionen mit der Industrie vereinbarte“, sagt Engel. „Opa verhandelte dann“. Doch die Mitgliedschaft hatte ihren Preis. Nachdem eine Delegation aus Düsseldorf den münderschen Standort in Augenschein genommen hatte, lautete das Motto der Stunde: ‚Ihr müsst größer denken“.

Für die Dörings im Weserbergland hieß das: Alte Strukturen aufbrechen und fortan mit weniger göttlichem Segen im Hintergrund auskommen. Bis dahin hatte ein Schwesternheim zwischen Kaufhaus und Kirche gestanden. Das Ehepaar Döring wechselte die Bank, erwarb das Heim, riss es ab, und baute neu. „Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, sagt Engel und berichtet, dass manche das Kaufhaus daraufhin mieden. 1971 war die feierliche Eröffnung.

Kurz darauf übernahm Tochter Margarethe das Geschäft. Ihr Mann, Werner Engel, ein Schriftsetzer schulte um auf Kaufmann. Die beiden Schwestern Monika und Elisabeth mischten längst mit. Und ihre Ehemänner gleich dazu. Es sollte die Herausforderung dieser Generation sein, die Familie zusammenzuhalten und zugleich die aufgenommenen Schulden abzubauen. Denn nicht nur der Neubau war abzustottern, auch die Geschwister galt es auszubezahlen. Mit Michael Engel und seiner Schwester wuchs die nächste Generation quasi im Kaufhaus auf – und das lief gut. „Wir Kinder hatten ein gutes Leben und in den Urlauben kam die ganze Familie raus aus dem Geschäft: Jugoslawien, Spanien, Mallorca – da haben wir schöne Urlaube verbracht“, sagt Engel.

Als Michael Engel 2005 übernahm, hatte er bereits eine hochkarätige Ausbildung genossen. Zum einen in Hannover, im Anschluss in Münzberg. Seit er die Geschicke leitet, ist ständige Veränderung sein Credo. Eine Abteilung nach der anderen wird modernisiert, um das Haus attraktiv zu halten für die Mitte der Gesellschaft. Michael Engel steht heute allein an der Spitze. „Aber mit einem Spitzenteam“, lobt er und betont, dass anders als zu Anfangszeiten das gute, kollegiale Miteinander den Stil des Hauses präge.