Künstler zeigt im Fitnessstudio Arbeiten – inspiriert durch die Trainierenden

Wer im Kardio-Bereich des Aktiv-Gesundheitszentrums Springe aufs Rad steigt, der kann aus dem Fenster schauen oder auf Bildschirme mit Sportprogramm. Die Trainierenden können sich aber auch vertiefen in sechs Arbeiten des Springer Künstlers Heiko Prodlik-Olbrich. Auf Stelen stehen seine „Kreaturen“ dort schon seit vielen Jahren. Nun hat der Bildende Künstler vier seiner Arbeiten durch neue ersetzt.

VON ANNE BRINKMANN-THIES

Muskulös und mit viel Körperlichkeit bestechen die Skulpturen mit Titeln wie „Aufschwung“, „Sieger“ oder „Schl*Eiertanz“. Kein Wunder. „Die Menschen, die hier trainieren, sind zugleich mein Studienobjekt“, sagt Prodlik-Olbrich, der selbst seit fast zehn Jahren im „Aktiv“ trainiert. „Hierher kommen ganz unterschiedliche Typen, das ist bunt und faszinierend“, sagt der Künstler. In Absprache hat er einige künstlerisch genau beobachtet, ihre Bewegungen, besondere Muskelpartien oder Körperteile später in seinen Arbeiten umgesetzt. „Ich habe ein nahezu fotografisches Gedächtnis“, erklärt er. Seine „Kreaturen“ behaupten sich gegen Widerstände und tanzen den Corona-Blues im „Schl*Eiertanz“, sie winden sich aus ihrer einengenden „Verwicklung“ und wiederholen zielstrebig den „Aufschlag“. Sie üben aber auch den befreienden „Aufschwung“, feiern ihre Selbstüberwindung als „Sieger“, und „Fortuna“ bindet sich balancierend und glücklich auf ihrer eigenen kleinen Welt. Doch der Künstler hieße nicht Prodlik-Olbrich, wenn er seine Musen einfach nur als Abbilder in Bronze gegossen hätte. Seine Arbeiten ermöglichen häufig mehrdeutige Ansichten. „Ich versuche immer, die ‚komplementären Polaritäten‘, des menschlichen Daseins zu sehen und zu bedenken – die weibliche und männliche Eigenart in Figurenerfindungen vermittelnd zu gestalten“. Und er drückt es so aus: „Meine wegorientierte Arbeitsweise lautet: Im zweifelhaften Gestalten das Zweifelhafte gestalten – ebenso Paradox wie das Leben.“ Soll heißen: „In meinen `zweifelhaften Gestalten` leuchtet immer eine widersprüchliche Doppeldeutigkeit auf. Sie `bezweifeln` durch ihre Mehrdeutigkeit `einseitige` Erklärungen und Interpretationen“. Und so ist da etwa der „Sieger“, der gefesselt steht auf einer goldenen Halbkugel. Denn der Sieger, so der Künstler, wird sofort wieder zum Gejagten. Es ist aber auch das Männliche und Weibliche in jedem Sein, das ihn fasziniert. Das eine könne ohne das andere nicht existieren, ist er sicher und hält diese androgyne Betrachtung auch in seinen Skulpturen fest. Und auch das Thema Bindung ist für den Springer Künstler ein wesentliches Element in seinem Schaffen. Ausdruck verleiht er diesem, indem er seine „Kreaturen“ mit „mehrdeutigen“ Bindungen/Bandagen/Verbindungen im hier und jetzt oder auf dem Weg in eine andere Sphäre ausstattet. Da seine Arbeiten so vielschichtig sind, bedürfe es einige Zeit, um sie anzuschauen, sagt Prodlik-Olbrich. Und die haben die Trainierenden, wenn sie radelnd etwas für ihre Gesundheit tun.

Zum anderen brauche es idealerweise aber auch den Austausch mit dem Künstler. Und auch das können die Besucher des Fitness-Studios wahrnehmen. „Eine ideale Konstellation also“, sagt Prodlik-Olbrich, der dem Inhaber des Studios, Denis Klünder, dankbar ist, seine Exponate dort ausstellen zu können. Denn gerade der Austausch mit den Betrachtenden ist dem Künstler Heiko Prodlik-Olbrich sehr wichtig. Genau deshalb ist er auf Kunstmärkten und -messen mit seinen Arbeiten stets vor Ort, im direkten Kontakt mit den Besuchern. „Seit März 2020 sind coronabedingt meine geplanten Ausstellungen, Messen und Kunstmärkte abgesagt worden – und vor 2022 sind scheinbar keine besseren Aussichten für mich zu erwarten“, sagt Prodlik-Olbrich. Und so hat er Zeit genutzt, um im Aktiv-Gesundheitszentrum nicht nur einen Teil der Arbeiten zu tauschen, sondern auch die Konsolen erneuert. Nun haben die Trainierenden wieder neue Kunst-Objekte, in die sie sich beim Radfahren vertiefen können. Um sich dann mit dem Künstler darüber austauschen zu können.