Auswege aus der Krise

Seit rund neun Monaten bietet die Frauen-Beratungsstelle in der Bahnhofsstraße 1A allen Frauen die Möglichkeit, sich im persönlichen oder telefonischen Gespräch Hilfestellung in Krisensituationen zu holen.

VON ANNE BRINKMANN-THIES

Auch in Pandemiezeiten steht ein Team von Sozialarbeiterinnen für kostenlose Beratungen bereit. Die Trägerschaft der Springer Beratungsstelle liegt in den Händen des Vereins Donna Clara, gefördert wird das Angebot durch die Stadt Springe und die Region Hannover.

Und diese Möglichkeit werde gut angenommen, berichtet eine Sozialarbeiterin, die zu ihrem eigenen Schutz namentlich nicht genannt werden möchte. Im vergangenen Jahr haben sich rund 30 Frauen in problematischen Situationen an das Team gewandt. Zu den Themen, zu denen Beratung möglich sind gehören neben generellen Krisensituationen und persönliche Perspektivfindung auch Partnerkonflikte, Gewalt in Paarbeziehungen, sexualisierte Gewalt sowie Stalking.

Dabei spiele auch die psychische Gewalt in vielen Familien, in Paarbeziehungen sowie am Arbeitsplatz eine große Rolle. Die Folgen würden häufig unterschätzt, so die Sozialarbeiterin. Besonders gravierend seien die Auswirkungen, wenn eine Abhängigkeitsbeziehung zur gewaltausübenden Person bestehe. Auch weil dadurch der Spielraum enger werde, sich aus dem wiederkehrenden Strudel von Kontrolle und Demütigung zu befreien. Gerade in Familien, in denen rigide Geschlechterbilder vorherrschten, seien Frauen und Kinder häufiger von psychischer Gewalt betroffen, so die Expertin.

Mit psychischer Gewalt sei nicht gemeint, dass „jemand mal einen schlechten Tag hat“. Ziel psychischer Gewalt sei es vielmehr, systematisch Macht und Kontrolle über die andere Person auszuüben.

Die Bandbreite der Strategien ist groß. Und reicht von immer wiederkehrenden Erniedrigungen, Beleidigungen, vom Bloßstellen, Bevormunden, Verunsichern, Anschreien, Beschimpfen und Drohen bis zur dauernden Kontrolle. Das führe dazu, dass sich die Betroffene ohnmächtig fühle und sich ein Gefühl der Ausweglosigkeit einstelle. Dies wiederum schlage sich in der Regel stark auf das Selbstwertgefühl der Frau nieder, so die Fachfrau.

Dauerhaft handlungsunfähig psychischer Gewalt ausgeliefert zu sein – das führt nach Expertenansicht in der Regel zu ernsthaften psychischen Beschwerden, die sich oft psychosomatisch zeigen: Schlaflosigkeit, Schmerzen, sozialer Rückzug, Angstzustände, Depressionen, inneres Erstarren, dauerhafte Muskelverspannungen. Die betroffene Person werde über lange Sicht „gebrochen“, sodass die Befreiung aus der Gewaltbeziehung unmöglich erscheint.

Zwar hinterlasse psychische Gewalt keine äußerlich sichtbaren Verletzungen, seelische Spuren aber gleichwohl. „Aus einem Experiment amerikanischer Forschender geht hervor, dass die Verarbeitungsprozesse bei schmerzhaften Erfahrungen sozialer Ablehnung die gleichen sind, wie bei rein körperlichem Schmerz“, berichtet die Sozialarbeiterin.

Die Mitarbeiterinnen der Frauenberatung Springe empfehlen, sich Freundinnen oder Freunden, Bekannten oder einer professionellen Beratungsstelle anzuvertrauen. Nicht alleine zu sein, das sei in dieser Situation wichtig. Insbesondere beim Wunsch einer Trennung von der gewaltausübenden Person könne dies eine wichtige Unterstützung sein. Die Aufarbeitung der Geschehnisse mit einer fremden Person kann zudem neue Sichtweisen aufzeigen oder als „Realitätscheck“ dienen. „Die Frauen können lernen, ihr Selbstwertgefühl zu verändern, indem sie „Nein“ sagen“, so die Expertin. Sie und ihre Kolleginnen helfen auch bei Fragen zur finanziellen Situation und ökonomischen Unabhängigkeit.

„Wir Beratenden unternehmen nichts gegen den Willen der Betroffenen. Wir stehen zudem unter Schweigepflicht.“ Froh ist die Sozialarbeiterin übrigens über die gute Vernetzung in Springe: Sie reicht vom Jugendamt bis zum Kinderschutzbund. Und noch etwas betont sie: „Wir arbeiten mit Dolmetscherinnen zusammen“. Fehlende Sprachkenntnisse seien also kein Hindernis, um sich Rat und Unterstützung zu holen.

Sprechzeiten, telefonische Beratung und Terminvereinbarung sind möglich unter 05041/8011360. Geöffnet ist das Büro montags von 13 bis 16 Uhr und mittwochs von 10 bis 12 Uhr. Ein Anrufbeantworter läuft. Termine für die Beratung werden individuell vereinbart und sind vormittags und nachmittags möglich.