Küchenmüll gelangt zur Blüte

VON KATHARINA WEIßLING

Hachmühlen. Hachmühlen ist eher bodenständig als exotisch. Und doch alles andere als aus der Welt. Bevor das Corona-Virus Flüge und Reisen lahmlegte, kamen Leute von nah und fern für mehrere Wochen zu Tini und Oliver Vogt. Wahlweise, um bessere Imker zu werden, oder sich in Sachen Selbstversorgung fortzubilden. Die Organisation WWOOF (World Wide Opportunities on Organic Farms) verhalf den Vogts zu naturverbundenen, neugierigen Gästen, die mit anpackten. Ein fruchtbarer Austausch für alle Beteiligten, der gerade im Dornröschenschlaf liegt. Oder nicht?

Abwarten ist Tini Vogts Sache nicht. Während der Garten winterbedingt wenig hergab, stillte sie ihren Wissensdurst mit Gartentexten aus Büchern und Blogs. Holte sich Inspiration auch aus sozialen Medien. Zum Essen tischte die Gemüsegärtnerin sich und ihrem Mann neben frischer Kost selbst Fermentiertes aus dem Vorrat auf und dachte nach. Über gedeihliche Bedingungen nicht nur fürs Gemüse sondern auch für passionierte, unkonventionelle Gärtner wie sie.

Per Instagram (kassiolino) teilte sie Erkenntnisse mit ihren mehr als 1000 Followern. Wo Kurse im Garten nicht möglich waren, lud sie kurzerhand zum Zoom- Meeting. Ihr jüngstes Thema gleicht einer Reise im Kopf: Düngen mit Bokashi. Was aus dem fernen Japan kommt, hat viel mit Sauerkraut gemein. Ein bisschen auch mit Joghurt. Bokashi heißt übersetzt „Allerlei“ und ist eine Methode, Küchenabfälle mithilfe effektiver Mikroorganismen binnen kurzer Zeit zum Superdünger zu machen.

Dabei findet die Fermentation ohne Sauerstoff statt. Ähnlich wie bei der Herstellung von Joghurt wird eine Starterkultur zugegeben und die Mikroorganismen machen sich ans Werk. Fäulnisfrei in nicht mehr als zwei ineinandergesteckten Eimern, luftdicht verschlossen. Nach drei Wochen sind die Abfälle oben fertig, um in Beeten oder Topfpflanzen zu landen. „Der Saft der durch Löcher im oberen Eimer in den unteren sickert, ist hervorragender Flüssigdünger, der nur noch verdünnt werden muss“, beschreibt Tini Vogt. „Das ist perfekt fürs Gärtnern auf kleinem Raum ohne Plastikmüll, ohne Transporte und mit einem super Ergebnis“, schildert sie begeistert. Diese Art zu Düngen passe wunderbar zu ihrem Verständnis von naturnahem Gärtnern und ihrer Vorliebe für Kreislaufwirtschaft selbst im kleinsten Garten, setzt sie hinzu.

Während Wikipedia darauf verweist, dass die Wirksamkeit der Methode wissenschaftlich noch nicht abgesichert sei, hat Tini Vogt im vorigen Jahr direkt nebeneinander zwei Testbeete angelegt unter gleichen Bedingungen. Dabei gediehen die Tomaten im Tiermistbeet nicht schlecht, die Erträge im Bokashi-Beet direkt nebenan jedoch stellten sie locker in den Schatten.

Von den vielen Dünge-Methoden, die sie bisher ausprobiert habe, sei Bokashi im Ergebnis das bisher erstaunlichste. Einziger Nachteil: Einmal geöffnet stinkt es aus dem Eimer wie eine Mischung aus Brennnesseljauche und Sauerkraut. Umso größer ist die Motivation, die ehemaligen Küchenabfälle rasch zwischen zwei Schichten Erde zu verteilen, auf dass Gutes darauf wächst. „Einsäen geht sofort, mit dem pflanzen warte ich eine Woche, sonst ist es zu sauer und kann die Wurzeln angreifen“, sagt Tini Vogt.

Während die Sache bei Topfpflanzen in allen Versuchen quasi im Selbstlauf funktionierte, hatte Tini Vogt in den Beeten die Rechnung ohne die Fans gemacht. „Gerne warne ich davor, dass Wühlmäuse das Zeug lieben“. Sie selbst löst die Herausforderung seither mit Drahtgeflecht unter ihren Beetkästen. Und so verführerisch Pflanzen wie Boden in den bunt gestrichenen Kästen auch sind: Nicht ein Mäuseprinz hat die drahtigen Hürden bisher überwunden.