Zusammenhalt auch bei Frost

Aus Schnee etwas gutes, Gemeinschaft stiftendes zu machen, hat Tradition in der kleinen Tiefentalsiedlung in Bad Münder. Als Familie Menke vor elf Jahren einzog, begann das darauffolgende Jahr mit einer Schneebar am Wendehammer. Die Nachbarn feierten mit. In den folgenden Jahren auch ohne Eistheke.

VON KATHARINA WEIßLING

Bis vor kurzem stand wieder so eine weiße Bar vor einem anderen Haus in passender Lage. Etwas weiter gab es eine Schneebank mit Kissen zum Verweilen. Dazwischen einen Obstkorb geformt aus Schnee. Und wer Lust auf einen Spaziergang hatte, konnte wahlweise Nessie kennenlernen, einen Schneeschwan mit der Ausstrahlung einer Friedenstaube auf sich wirken lassen oder sich über den Humor der Nachbarn freuen: Zwei Familien setzten kurzerhand den joblosen Trump als Bettel-Schneemann vor die Tür. Versöhnlich warfen sie ihm schon mal ein paar Dollar in die Blechbüchse. Petra Haupt ließ die Raupe Nimmersatt übers Straßenschild krabbeln. Kleinkunst eben, die Freude macht. Der Grund: Ein Nachbar hatte zum Schneeskulpturenwettbewerb in den Vorgärten aufgerufen.

Wo alte Traditionen wie Hahn holen (zur Hochzeit), Weggen bringen (zur Geburt eines Kindes) in Vergessenheit geraten, ist längst anderes entstanden, das neue Möglichkeiten bietet. Die Nachbarschaft hinter dem Kastanienhof ist seit einem Straßenfest vor einigen Jahren durch eine WhatsApp Gruppe verbunden. Scherzvideos machen hier nicht die Runde, wohl aber eine Warnung, wenn plötzlich seltsame Gestalten durch die Gärten wandern oder Hausfotos aufnehmen. „Das gibt so ein heimeliges, vertrautes, verbundenes Gefühl und natürlich auch etwas Sicherheit“, sagt Silke Menke.

Ein weiteres Beispiel für kluge Kommunikation: „Wäre es wohl für euch ok, wenn ich heute Vormittag bei mir vorm Haus die Straße mit LKW und Anhänger blockiere und ihr dafür unten rum und über den Masurenweg fahrt?“, stellte ein Mitglied in die Gruppe. Die Betroffenen waren charmant vorgewarnt. „Und wenn einer Mal eine helfende Hand braucht, um was abzuladen oder aufzubauen, melden sich gleich mehrere, das ist schön“, kommentiert Silke Menke. Wenn Nachwuchs angekommen ist, wird auch das mitunter in der Gruppe geteilt.

Einfach machen ist die Devise des Nachbarn mit dem Quad, der neulich wieder einmal den Wendehammer freischob. Eine Stelle, die vom Winterdienst mitunter vergessen oder im Plan nach hinten geschoben wird. Die Nachbarn danken. Passend zum Valentinstag waren die entstandenen Schneehaufen dann in Bestform. Dass die Kunstwerke jetzt abgeschmolzen sind, mindert den Zauber des Moments kein bisschen. Die Preise von Sonntag sind die Pläne für morgen, für die Zeit charmanterer Rahmenbedingungen. Hier Kunstkurse, da die Aussicht auf ein Dinner für zwei vom Kastanienhof oder aber eine Stunde „Das Glück Schmieden“ mit Künstler Andreas Rimkus waren ausgelobt. Die größte Familie entschied sich für eine Torte. Das, was die Nachbarschaft binnen weniger Tage erschuf mit Begeisterung, Ideenreichtum und mitunter sogar Zurhilfenahme einer Kettensäge (für den schulterhohen Schriftzug LOVE), fand große Sympathie über die Straßenzüge hinweg.

„Es war als hätten alle nur auf den Schnee gewartet, um loszulegen“, sagt Hubert Menke, dem die Aktion eines Abends kurz vorm Einschlafen in den Sinn kam. Was letztlich in insgesamt 18 Vorgärten daraus entstand, hinterließ ihn für ein paar Minuten sprachlos. Wer weiß, wann wieder die geschätzten „Mauerbiere“ möglich sind, spontane Grillfeste oder größere Straßenfeste. Der Zusammenhalt scheint nicht gelitten zu haben, stattdessen offenbarte sich Vielfalt in der Nachbarschaft, die hoffen lässt auf fröhliche Zeiten in der Zukunft.