Zwischen Zuversicht und Zittern

Reis, Mehl, Kaffee, Kakao, Müsli, Kekse und Cornflakes: Das gibt es heute für jeden. Alles andere geben die Helfer nach Bedarf heraus. Die Stimmung ist gut, es wird gelacht

Auf den ersten Blick erinnert – bis auf die Maskenpflicht und die Trennwände – nichts an eine Krise. Das dem nicht so ist und Corona auch die Tafel Bad Münder voll im Griff hat, erzählt Dieter Hainer, seit 2012 Vorsitzender des Trägervereins. Denn der Zuversicht zum Beispiel durch neue Lagermöglichkeiten stehen ausscheidende Helfer, ausbleibende Warenspenden der Supermärkte und steigende Kundenzahlen gegenüber: „Es ist eine herausfordernde Aufgabe, alles zu bewältigen.“

Die Frage nach einer erneuten Schließung habe sich beim zweiten Lockdown jedoch nicht gestellt. „Unser Konzept, um die individuelle Ausgabe beizubehalten, steht und funktioniert“, so der 78-Jährige. Nur drei Kunden dürfen sich gleichzeitig im Bereich der Ausgabe aufhalten. Eine Maske zu tragen, ist für alle Pflicht. Das klappt laut Hainer auch problemlos. Immer mal wieder komme es zwar vor, dass ein Kunde seine Maske vergessen hat, dann helfe das Tafel-Team aber aus. Einmal habe sich bisher jemand geweigert, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen – er habe gehen müssen. Vor Beginn der Ausgabe wird durchgelüftet, nach einer Stunde während einer Pause ebenfalls. Der Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter ist mit Trennwänden auf den Tischen durchzogen.

Zudem ist es dem Verein gelungen, Sponsoren für einen mobilen Luftreiniger zu gewinnen. Dieser soll eine zusätzliche Maßnahme für Helfer und Kunden sein, wie Hainer betont, „und entbindet uns von keiner anderen Sicherheitsvorkehrung“. Ohne die Geldgeber wäre die jetzt in Auftrag gegebene, rund 3000 Euro teure Anschaffung erst im Januar oder Februar möglich gewesen.

Da aber immer ein Restrisiko bleibt, kann die Mannschaft zurzeit nicht in voller Stärke antreten. Gut zehn Prozent der insgesamt 50 Ehrenamtlichen kämen zurzeit nicht, weil sie selbst zur Risikogruppe gehörten, erklärt Hainer. Der Grund, warum auch einige ältere Kunden wegblieben. Manch einer sei schon auf den Bringdienst, der seit fünf Jahren einen Stamm von rund 15 immobilen Kunden einmal die Woche beliefert, umgestiegen. Wie Hainer betont, können sich Tafelberechtigte, die Bedarf haben, jederzeit für ein Beratungsgespräch melden: „Wir wollen für die Menschen, die es brauchen, da sein.“

Während bekannte Gesichter auf einmal fehlen, sind es gleichzeitig vermehrt neue, die die Ausgabestelle aufsuchen. Sonst hat sich die Zahl der Bedürftigen die Waage gehalten, seit Mitte des Jahres steigt sie nach Angaben des Vereinschefs. Dabei sei auch deutlich eine andere Klientel zu sehen: Familien, in denen zum Beispiel beide Elternteile in die Kurzarbeit gerutscht und vorübergehend auf Unterstützung angewiesen sind. Sechs bis sieben neue Kunden seien es zurzeit jeden Monat – doppelt so viele wie sonst. Für Hainer aber kein Grund zur Sorge: „Das ist im Rahmen, was wir als Tafel noch leisten können.“ 60 bis 70 Kundenhaushalte kommen aktuell jeden Mittwoch zur Ausgabe. Dahinter stehen wegen vieler Großfamilien im Schnitt jeweils fünf Personen.

Was die Tafel langfristig hätte nicht mehr leisten können, wäre die Lagerung in der ersten Etage. Sämtliche haltbare Waren und Hygieneartikel mussten die Treppe hoch geschleppt werden. Seit wenigen Wochen steht nach einem Durchbruch ein Raum im Erdgeschoss zur Verfügung. „Das ist eine extreme Erleichterung für uns“, so der Vorsitzende, dem das Wohl seiner Mitarbeiter ebenso am Herzen liegt wie das der Kunden. Denn gerade vor Weihnachten füllen sich die Regale doch zusehends. Eine andere Sorge bleibt: Dass das Warenangebot, vor allem an frischen Lebensmitteln, geringer wird. „Vor vier Wochen hatten wir einen Tiefpunkt, da war das Angebot an Obst und Gemüse so schmal, dass wir zukaufen mussten“, erzählt Hainer und verweist auf eine seit April laufende Förderung von „Aktion Mensch“, auf die die Tafel zurückgreifen konnte und kann. Was die Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung angeht, muss sich der Verein allerdings keine Gedanken machen. Die sei nach wie vor hoch, freut sich Hainer und bedankt sich für die Unterstützung: „Wir sind sehr froh, dass wir nicht vergessen werden.“