Offenes Ohr für Nöte

VON KATHARINA WEIßLING

Bad Münder. Gesundheit liegt Annegret Witte am Herzen. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema durch ihr Berufsleben. Und je mehr die gelernte Arzthelferin mit den Jahren und weiteren Qualifikationen erfahren hat, desto wichtiger ist ihr Kommunikation. „Wenn Arzt und Patient sich nicht verstehen, ist das schlecht für den Heilungsprozess“, betont sie. In der Deister-Süntel-Klinik setzt sie diese Überzeugung seit 2017 in die Praxis um.

Aus dem Ruhestand heraus setzt sich die 67-Jährige als Patientenfürsprecherin ein. In Niedersachsen und einigen weiteren Bundesländern ist es Vorschrift, in jeder Klinik zwei unabhängige Ansprechpersonen zu haben, die sich für die Patienten einsetzen – zusätzlich zum klinikinternen Qualitätsmanagement. In der Deister Süntel Klinik in Bad Münder, wo Witte tätig ist, treffen zwei Patientensprecher auf maximal 58 Patienten mit deren Angehörigen.

Im Vergleich zu Kliniken mit 400 und mehr Betten ist das viel. „In großen Strukturen mag der Wunsch nach einem unabhängigen Ansprechpartner noch größer sein“, sagt Witte.

Gleichwohl ist das Amt im beschaulichen Bad Münder gewissermaßen Chefsache. „Wenn es etwas zu besprechen gibt, ist Verwaltungschefin Elke Stüdemann meine erste Ansprechpartnerin“, erzählt Witte. Diese und der neue Klinikchef Hans-Christian Delfs sehen das Amt positiv: „Für uns ist das, was wir über die Patientenfürsprecher erfahren, eine Chance, besser zu werden“, sagt Elke Stüdemann.

Gleich am Eingang hängt ein kleines Plakat, dass auf die Fürsprecherinnen hinweist; in jeder Patientenmappe sind E-Mail-Adresse und sogar Handynummer von Annegret Witte angegeben. Gleichwohl reagieren manche überrascht, wenn sie erstmals bei der Sprechstunde auf Annegret Witte treffen und erfahren, wozu sie dort ist. „Früher gab es die grünen Damen, die schon durch ihre Kleidung auffielen, heute gibt es überall internes Qualitätsmanagement und eine Verwechslungsgefahr ist durchaus gegeben“, erklärt Hans-Christian Delfs, der seit Juli in Bad Münder arbeitet. Auch ihm ist daran gelegen, das Amt bekannter zu machen.

Denn nicht immer mögen Patienten sich mit Problemen oder Beschwerden an diejenigen wenden, in deren Obhut sie durch Krankheit beinahe zwangsläufig sind. Man möchte sich nicht unbeliebt machen. Ein weiterer Gedanke bei der gesetzlichen Regelung dieses Amtes war, dass Kollegen anderen Zwängen unterliegen als Ansprechpartner, die mit dem Klinikalltag an sich nichts zu tun haben.

„So können Missstände rascher entdeckt werden, wenn tatsächlich etwas im Argen liegt“, erklärt Witte. Persönlich hat sie schon manches gehört, gelegentlich auch mal eine Breitseite Wut und Empörung mitbekommen. Einen schlimmen Fall, der ihr sehr nahe gegangen sei, hat sie noch nicht erfahren.

„Hier in der Deister Süntel Klinik treffen teilweise alte Menschen mit sehr vielen unterschiedlichen Krankheitsbildern auf gut ausgebildete Ärzte und Ärztinnen. Da brauchen die einen vielleicht etwas mehr Zeit und Geduld, die anderen manchmal eine andere, vielleicht präzisere Sprache. Da treffen Welten aufeinander“, erklärt Annegret Witte. Sie ist in allen Fällen zu Schweigen verpflichtet, darf nur weitergeben, was die Patienten ausdrücklich wünschen.

„Meistens hilft es schon, gut zuzuhören, wenn mehr dahintersteckt, setze ich mich ins Auto und bin noch am gleichen Tag am Bett des Patienten“, sagt Witte. Auch in die Datenschutzgrundverordnung hat sie sich eingefuchst und verzichtet lieber darauf, persönliche Details per Mail weiterzugeben. Das persönliche Gespräch zählt.

Auch Lob und Anerkennung dürfen Patientenfürsprecher gerne weitergeben. „Manchmal ergibt es sich, dass ich Zeuge eines Gesprächs zwischen Patient, Angehörigen und Klinikpersonal bin, dass richtig gut verläuft und dann fühlt sich das genau richtig an“, sagt Witte, die sich mehr davon wünscht. Und gleichzeitig gut hinhört, wenn es klemmt, drückt und der Heilung im Wege steht.