„Viel zu hell hier“

VON KATHARINA WEIßLING

Bad Münder. Das Jahr 2020 beginnt friedlich. Helge Altmeyer ist zufrieden in seinem Job, glücklich in seiner Ehe, und fühlt sich wohl in der Stadt, in der er lebt. 2019 war eine Zäsur. Kurze Zeit, nachdem er und seine Frau Stina ihren zusammen hundertsten Geburtstag gefeiert hatten, erwachte er nachts, geweckt von einem ungewöhnlichen Geräusch. Es war sein hart erspartes Traumauto, ein BMW 525d, das lichterloh brannte. Ein Schock, der erstaunlich geschmeidig überwunden scheint, weil Helge Altmeyer eben tickt, wie er tickt.

„Ich habe die Augen aufgeschlagen und gedacht: Mann, das ist viel zu hell hier.“ Ein Blick aus dem Fenster und ihm war klar, dass das Auto, das erst drei Monate in seinem Besitz war, nicht mehr zu retten sei. „Die Flammen schlugen drei Meter hoch. Da bin ich in Boxershorts rausgelaufen, weil ich sofort an die Nachbarskinder gedacht habe, die ganz in der Nähe schliefen.“

Mit zwei Gießkannen lief er vom Wasserhahn durch die unglaubliche Hitze bis zum Carport der Nachbarn, um es so feucht zu halten, sodass das Feuer nicht weiter um sich greifen würde.

„Meine Frau war so geschockt, dass sie trotz aller berufsbedingten Feuerwehrübungen auf Anhieb nicht die 112 wählen konnte“, erzählt der 50-Jährige weiter. „Das ist dann alles Theorie.“ Seiner Mutter, die als Gast im eigentlich so beschaulichen Bad Münder übernachtet hatte, standen die Tränen in den Augen. Der Löschzug der freiwilligen Feuerwehr Bad Münder hatte noch rechtzeitig löschen können, bevor Häuser in Brand gerieten. „Es war allerhöchste Zeit“, berichteten die Feuerwehrleute später. Ein angrenzender Zaun am Treppenwall hatte bereits gebrannt.

Noch in der Nacht wurde das ausgebrannte und von den Behörden beschlagnahmte Auto abgeschleppt. Dass die Versicherung den Schaden nicht ersetzen würde, stellte sich am Folgetag heraus. „Es war falsch versichert, nicht Vollkasko, die Police schützte weder vor Brandschäden und schon gar nicht vor Vandalismus“, sagt Altmeyer heute.

„Wir beide sind sichere Fahrer, an so etwas hätten wir im Traum nicht gedacht“, fährt er fort, und scherzt: „Wir haben schon überlegt, ob wir uns nicht ein ruhigeres Pflaster zum wohnen suchen sollten, Berlin-Neukölln oder so.“ Die Polizei schließt bis heute vorsätzliche Brandstiftung nicht aus. Innerhalb von nur zehn Wochen hatten in Bad Münders Innenstadt drei Autos gebrannt. Nachdem alles zu Protokoll gegeben war, hörten die Altmeyers nichts mehr von den Behörden. Auch nichts von einem mutmaßlichen Täter. Dass er und seine Frau Stina heute so abgeklärt mit dem Thema umgehen und dass kein Trauma hängen geblieben ist, erklärt Helge Altmeyer so. „Ich hab das Talent, so was schnell zu sortieren, in eine Schublade zu legen und dann ist es für mich ok“, sagt er.

Sehr hilfreich sei gewesen, dass sie die Tat nie auf sich bezogen hätten. „Ich bin Heizölfahrer, schneide niemandem die Vorfahrt ab und spreche keine bösen Worte, warum um Himmels willen, hätte jemand also absichtlich gerade mein Auto anzünden sollen?“

Er fühle sich wohl in Bad Münder, wo er so viele Menschen kennt. Viele hätten Anteil genommen und nicht wenige sogar angeboten, Geld zu spenden, um den finanziellen Schaden auszugleichen, auf dem die Privatleute hängen blieben. „Ich habe darüber nachgedacht und denke, viel eher als ich könnte das wohl derjenige gebrauchen, der das gemacht hat.“ In seiner Vorstellung sei das „ein armer Tropf, der mit sich und der Welt unzufrieden ist“. Krank oder dumm, auf jeden Fall verzweifelt müsse jemand sein, um so etwas zu machen. Weise Worte. „Vielleicht, weil ich vorher in meinem Leben sämtliche Pfützen mitgenommen habe“, erwidert der Münderaner lächelnd.