Lebendige Geschichte

VON KATHARINA WEIßLING

Bad Münder. Die 12 Kinder sind fast alle aus dem Haus. Eine Mission hat das Ehepaar Schlawer gleichwohl. Denn beide sind nicht nur tief verwurzelt in ihrem Glauben, sondern fasziniert von dem, was Martin Luther mithilfe der genialen Erfindung Johannes Gutenbergs massenhaft in die Welt brachte. Darum reist das Paar deutschlandweit von Schule zu Schule, von Ausstellung zu Ausstellung. Immer an Bord: Eine nachgefertigte Gutenberg-Presse mit beweglichen Lettern.

Etwa 150 Kilogramm wiegt das Eichenteil komplett. Gleichwohl bauen die beiden sie jedes Mal auseinander und wieder zusammen, transportieren die Einzelteile von ihrem VW-Bus aus zum Ort des Geschehens. Hinzu kommen zahlreiche Exponate.

„Das Museum kommt in die Schule“, scherzt Renate Schlawer. Diese Woche haben sie Station in Bad Münder gemacht. Alle zwei Jahre lädt die KGS Bad Münder die beiden dazu ein. Weil sie den Religionsunterricht ebenso bereichern wie den Geschichtsunterricht. Weil die Schüler fächerübergreifend die Chance haben zu „begreifen“, worum es geht, erklärt eine Pädagogin. Tatsächlich tritt Bernd Schlawer nicht nur in hübscher Gutenberg-Montur vor die Sechst- und Siebtklässler. Er stellt eine Menge Fragen: „Was kann man mit diesem Teil noch mal machen?“, „Weiß jemand, wo Gutenberg die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat?“ Und führt mit ein paar Hinweisen geschickt dahin, dass der Mainzer Gutenberg umgeben von Weinhängen am Rhein eine Druckpresse ersann, die einer Weinpresse deutlich ähnelt.

Oder er zeigt, wie die Schlösser den Innenteil alter Bücher erst freigeben, wenn man zuvor kräftig auf den Buchdeckel schlägt. Bücher aufschlagen eben. Den Teil der Buchpresse, der Bengel genannt wird, dürfen die Schüler kurz darauf selbst bewegen. Schlawer setzt die Presse in Gang. Das Ergebnis: ein druckfrischer Bibelpsalm zum Mitnehmen, für jeden, der mitmacht und begreift.

Gut sieht das Ergebnis aus, das Wochen später noch Gegenstand des Religionsunterrichts sein wird. Für den Moment sind die Schüler hellwach und fasziniert. Denn so groß das Angebot von Ablassbriefen über alte Bibeln bis hin zu Druckwerkzeugen ist, so spannend führt Bernd Schlawer von einem zum anderen. Bis ein Film zum Schluss, vieles Gehörte noch einmal zusammenfasst.

Die Schlawers üben diese Arbeit ehrenamtlich aus: „Es macht Freude zu sehen, dass wir die Kinder begeistern können“, sagt Bernd Schlawer, der ursprünglich einmal Schriftsetzer werden wollte und dann doch Architektur studierte, bis er diesen Beruf an den Nagel hängte. Ein Raum ist nötig, ein bisschen Anpacken erwünscht. Ansonsten unterstützten Verlage und private Spender diese Arbeit, berichten die Schlawers. Dabei sind Überraschungen und große Geschenke für die beiden keine Seltenheit. Zu der Gutenberg-Presse, die ein befreundeter Tischler anfertigte, ohne sie je in Rechnung zu stellen, kamen nach und nach immer mehr Exponate. Hier das Wappentier der Drucker und Schriftsetzer, ein Greif aus Lindenholz, in den ein Hamburger Künstler 200 Stunden Arbeitszeit investierte. Dort ein hundert Jahre altes Gesangbuch. „Eine Dame aus dem Osten hat uns eine Originalbibel von 1713 geschenkt, weil sie unsere Arbeit sinnvoll fand“, setzt Bernd Schlawer hinzu. Seitdem ist das alte Stück auf Reisen. Zusammen mit zahlreichen weiteren Lehrmaterialien. Ein wichtiger Teil für die Schlawers: „Wir sind mit dieser Arbeit nicht nur nah dran am Wort Gottes, sondern auch als Paar noch weiter zusammengewachsen“, sagt Renate Schlawer. Im Lutherjahr waren sie 135 Tage gebucht, jetzt sind es zwischen 50 und 70 Reisetage im Jahr.