Mehr als eine gute Tat am Tag

VON HORST VOIGTMANN

Altenhagen I. Seit den 70- und 80-Jahren des 20. Jahrhunderts hatte man mitunter das Gefühl, dass die bündische Jugend, zu der die Pfadfinder und der Christliche Verein junger Menschen gehören, nicht mehr zeitgemäß sind und langsam von der Bildfläche verschwinden. Aber in einigen Regionen lebt die Bewegung weiter – bis heute. Andreas Baenisch ist einer von denen, die die Arbeit der Pfadfinder am Leben erhalten haben. 35 Jahre lang war er Leiter des VCP-Stammes „Chico Mendes“ in Altenhagen I, davon 25 Jahre gemeinsam mit Nina Wolny.

Es gibt sie also noch, die bündische Bewegung – und sie zeigt sich auch in den progressiven Verbänden wie dem Verband christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder, mehr vielleicht noch in der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschland, die noch ein ausgeprägtes Ständesystem hat. Bei denen man als Wölfling anfängt, dann Jungpfadfinder (etwa 12 bis 14 Jahre) wird, schließlich Knappe (etwa 14 bis 16 Jahre), Späher (ab 16 Jahre) und Kreuzpfadfinder (ab 18 Jahre).

Bei der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands gebe es zwar auch Gruppen, sagt Baenisch, in denen sowohl Mädchen und Jungen aktiv sind – aber die Hierarchie sei stärker ausgeprägt als beim VCP. Außerdem spielen die Traditionen der Pfadfinderschaft eine größere Rolle. Und die Lederhose werde von Mitgliedern der CPD häufiger getragen als eine Jeans.

Beim VCP gebe es die Kinderstufe, die Pfadfinderstufe und dann die Ranger bei den älteren weiblichen und die Rover bei den älteren männlichen Pfadfindern. „Entscheidungen werden beim VCP nicht auf der Ebene der Stammesleitung gefällt, sondern in der Leiterrunde, wo mehr oder weniger alles ausdiskutiert wird. Sehr demokratisch und kooperativ“, so Baenisch. Als er selbst 1973 nach Altenhagen I zog, gab es dort keine aktive Pfadfinder-Gruppe. Baenisch zögerte zunächst, ob er den Jugendlichen, die es in der Gemeindearbeit in Altenhagen I durchaus gab, den Pfadfinder-Gedanken näherbringen kann. Aber sie waren sehr schnell begeistert von der Idee. Immerhin gab es in dem Ort ja eine Pfadfindertradition, an die etwa die Linde erinnerte, die in den Fünfzigerjahren oberhalb des Freibades gepflanzt worden war – in Gedenken an den Gründer der Pfadfinderbewegung, Robert Baden-Powell.

Baden-Powells Lebensleistung als General, Pfadfinderführer und Staatsbürger war beachtlich. Er schrieb beispielsweise 34 Bücher, anfänglich für die Armee, schließlich für die Pfadfinderbewegung. In der Pfadfinderbewegung war es sein Ziel, Werte zu vermitteln. Der wahre Weg, Glück zu erlangen, bestehe darin, andere Menschen glücklich zu machen. Er legte den Jungen nahe – zunächst waren es nur Jungen in der Pfadfinderbewegung – zu versuchen, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als sie sie vorgefunden haben. An der Altenhägener Linde, die an ihn erinnert, wird auch heute noch am 22. Februar, seinem Geburtstag, das Pfadfinderversprechen der neuen Mitglieder zelebriert.

Darin geht es um die Bewahrung der Schöpfung, um den Umgang untereinander. Jeden Tag eine gute Tat, wie man es einst den Pfadfindern nahegelegt hat, stehe nicht mehr im Pfadfinderversprechen, erklärt Baenisch und fügt lächelnd hinzu: „Eine gute Tat am Tag reicht auch längst nicht mehr aus.“

Besonders wichtig ist den Pfadfindern ihre Liedersammlung „Liederbock“, aus der sie während der Gruppenstunden und bei anderen Unternehmungen zur Gitarre singen. Gern denkt Baenisch an die Begegnungen bei nationalen und internationalen Pfadfindertreffen zurück, an denen er teilgenommen hat. Er kann sich durchaus vorstellen, noch einmal zu solch einem Treffen aufzubrechen. Auch nach 35 Jahren.