Schauspiel mit ungewissem Ende

Es gibt so Tage im Imkerleben, an denen uralte Bienengewohnheiten plötzlich Macht über das Telefon zu gewinnen scheinen. Bei Imker Oliver Vogt aus Hachmühlen ging zuletzt ein Anruf nach dem anderen ein mit der Bitte, ausgeschwärmte Bienenvölker wieder einzufangen.

Plötzlich sind Bienen selbst Thema bei Polizei, Feuerwehr und völlig Unbeteiligten.

„Es ist Schwarmtriebzeit und Menschen, die den Anblick nicht gewohnt sind, verunsichert es, wenn plötzlich ganze Bienenwolken unterwegs sind oder als große Traube in Augenhöhe an einem Baum hängen“, sagt Vogt. Sogar an parkenden Fahrrädern wurden schon Bienentrauben gesichtet.

Die Tiere haben anderes im Sinn als zu stechen. Sie suchen ein neues Zuhause. Vermehrung durch Teilung lautet das Prinzip, dem sie von alters her folgen. Dann, wenn die Völker im Jahresverlauf die meisten Individuen haben, verlässt die alte Königin den eng gewordenen Bienenstock mit dem Großteil ihres Volkes und macht Platz für den Nachwuchs. Unweit des alten Bienenstocks versammeln sich die Ausgeflogenen zu einer Schwarmtraube.

Während sie rasten, suchen ihre Kundschafter, die Spurbienen, nach einem neuen Nistplatz. Im Mai und Juni ist der Schwarmdruck am höchsten. „Normalerweise können wir Imker gut gegensteuern und zum Beispiel schon im Vorfeld Völker schröpfen und Ableger bilden“, erklärt Vogt. „Dieses Jahr aber war es vertrackt, drei Wochen Regen und 10 Grad draußen, da lässt man die Bienen eher in Ruhe“, sagt Vogt. „Und leider nehmen die keine Rücksicht auf ein Berufsleben außerhalb der Imkerei.“

Für die Imker fällt das Schwärmen in die Zeit der Haupthonigernte. Wer Bienen verliert, verliert mit ihnen auch wertvolle Arbeitskräfte und erntet in der Folge weniger Honig. Doch paradoxerweise führt gerade das natürliche, fürs Überleben der ganzen Art wichtige, Verhalten etliche Bienenvölker in den Tod. „Wohin sie auch reisen, die Varroamilbe reist mit“, erklärt Vogt. Unbehandelt durch einen Imker würden die Parasiten die Völker innerhalb von ein bis zwei Jahren erledigen, lautet seine Einschätzung.

„Da ist es grundsätzlich für alle gut, wenn Leute anrufen, bevor die Bienen eine Baumhöhle finden“, sagt er. „Erfahrene Imker haben das Einfangen meistens ganz gut raus.“ Sie besprühen die Schwarmtraube mit Wasser und ‚schlagen‘ die Tiere vorsichtig in einen vorbereiten Bienenkasten ein. Dann heißt es Ruhe bewahren, hoffen, dass die Bienen die neue Behausung annehmen und abwarten bis der umherschwirrende Rest nachkommt. „Abends kann man sie dann abtransportieren“, sagt Vogt. Sechs Völker, teilweise eigene, hat er in den vergangenen Wochen eingefangen. Für andere Anfragen fehlte schlicht die Zeit. Vogt vermittelte weiter an andere Imker. „Wenn sie Zeuge eines solchen Naturschauspiels werden, überlegen sie, wer in ihrer Nähe imkert und fragen sie sich durch, bis sie genau den oder die an der Strippe haben“, empfiehlt Vogt.