Den richtigen Blick für gute Bilder

Aus dem Girls‘ Day von einst ist längst der Zukunftstag geworden: Jungen und Mädchen schnuppern einen Tag in der Arbeitswelt, um Erfahrungen zu sammeln, um zu erleben, was Berufstätigkeit überhaupt bedeutet.

Und natürlich könnte dabei herauskommen, dass sie selber irgendwie eine Vorstellung entwickeln, welcher Beruf zu ihnen passen könnte. Die 13-jährige Paula Bandemer hat bei Ursula Thielscher in Bad Münder nachgefragt – und eine Zusage bekommen. Ursula Thielscher erzählt, dass es ein Markttag war, an dem Paula ihr Praktikum begann. Fotografieren lernt man am besten, indem man es tut, dachte sich die Profifotografin und drückte der Schülerin ihre kleine Leica in die Hand, sagte ihr kurz, wie sie funktioniert und machte den Vorschlag, dass sie doch mal auf dem Marktplatz fotografieren solle.

„Paula hat sich sehr geschickt dabei angestellt. Sie hat die Menschen, die auf dem Markt einkaufen wollten, so fotografiert, dass sie nicht mit ihrem Gesicht im Vordergrund stehen.“ Und da, wo ein Gesicht zu sehen war, gefragt, ob das in Ordnung ist. Ein besonders schönes Bild ist am Fleischstand entstanden. Irgendwas war im Gespräch mit den Kunden besonders lustig – und die Verkäuferin wollte sich fast wegschmeißen vor Lachen. Genau diese Szene hat Paula festgehalten. „Ich hatte dort gefragt, ob ich Bilder an ihrem Wurststand machen kann für den Zukunftstag. Erst habe ich mich ja nicht getraut, die Leute zu fotografieren und habe erst Blumenbilder gemacht“, erzählt Paula. Aber Ursula Thielscher war damit nicht einverstanden und schickte ihre Praktikantin zurück auf den Markt.

Paula fasste ein Herz – und dann ging‘s. „Ich kenne das“, sagt Ursula Thielscher, „als ich in der Ausbildung war, hat mich mein Chef auch einmal losgeschickt und da musste man sich da irgendwie durchkämpfen. Und Paula hat das auch geschafft.“

Hat diese Erfahrung Paula einen Kick gegeben, der den Wunsch weckt, Fotografin zu werden? „Ich bin mir noch nicht sicher“, sagt sie. „Mir macht das schon riesigen Spaß, aber vielleicht werde ich es eher zu meinem Hobby machen.“

Auch das Friseurinnenhandwerk findet Paula interessant – aber sie weiß auch, dass Friseure erst mal nicht so viel verdienen. Fotografinnen auch nicht, sagt Ursula Thielscher schmunzelnd. Interessieren würde Paula sich auch für eine Ausbildung zur Schauspielerin. Eine Freundin von ihr hat bereits einmal als Komparsin bei einem Film mitgewirkt. Vielleicht wird Paula das auch mal versuchen, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Dass ihr das Fotografieren Spaß macht, ist zu erkennen, als sie beim nächsten Mal mit der Kamera in den münderschen Kurpark geht, wo die Glasstelen derzeit stehen. Ohne viel zu fragen, sucht sie sich eine Perspektive und schießt Fotos.

Sogar der Autor dieser Zeilen wird als Modell akzeptiert und bekommt von der jungen Fotografin Anweisungen, wie er sich hinzustellen hat. „Bauch rein“, fordert sie auf. Gar nicht so leicht! Aber tatsächlich: Das Foto ist schmeichelhaft.

Neben den Stelen haben es ihr die Blumen angetan. Sie beugt sich nieder und sucht die richtige Position und den richtigen Winkel, bevor sie die Kamera auslöst.

Paulas Eltern müssen damit rechnen, dass sich ihre Tochter zu Weihnachten oder auch zur Konfirmation im kommenden Jahr eine hochwertige Kamera wünscht. Mal sehen, ob es dabei bleibt.