Kreativität und Konzentration

„Es verlangt mich danach, meine Hände zu beschäftigen und damit ein Ergebnis zu erschaffen“, sagt Grafikdesignerin Angelika Nass.

Nach Häkeln, Stricken oder Trends wie Glasmalerei nach Jugendstilmotiven hat sie sich vor zweieinhalb Jahren auf einen neuen Werkstoff eingelassen: alte Schinken, alte Bücher, die schon lange zugeklappt sind und zu scheinbar zu wenig mehr nütze als Staub zu fangen – so wertvoll die darin enthaltenen Texte auch sein mögen.

Angelika Nass zerstört sie nicht, sie verleiht neuen Wert, indem sie den Buchseiten neue Motive einfaltet. Starke Bilder können das sein, aber auch Worte, die wirken. „Angefangen hat es damit, dass ich ein Geldgeschenk auf besondere Art übergeben wollte“, erzählt die Künstlerin. Ihre Nichte und deren Mann sollten zur Hochzeit eine kleine Aufmerksamkeit erhalten, die bleiben würde. Und so klickte sich die kreative Tante durch etliche Youtube-Videos, und schuf ihr erstes Buchkunstwerk: Zwei ineinander verschlungene Ringe, dazu das Datum der Hochzeit. Auf den ersten Seiten des Buches hinterließ Nass eine handschriftliche Widmung, gut versteckt in einen Umschlag weiter hinten fand das Brautpaar später das Geld.

„Das ist schon etwas, das Freude verbreitet, besonders wenn es zu der oder dem Beschenkten sehr gut passt“, sagt Nass. Gerade darum fertigt sie am liebsten Auftragsmotive. Erklärt ihr jemand seinen Wunsch, springt ihr meistens spontan ein Motiv vor Augen. Nicht selten sei dieser erste Gedanke gleich ein Volltreffer. Um ihn auszudrücken, braucht es ein Blatt Papier und schwarze Farbe. Meistens sucht sie entsprechendes im Internet heraus, manchmal greift sie aber auch selbst zum Edding. Im dritten Schritt darf Technik ran. Spezielle Computerprogramme rechnen eine Art Strickmuster aus, nachdem die Blätter (idealerweise 500 Seiten Wälzer) bearbeitet werden sollen. Welche Technik sie dann anwendet, obliegt wieder Nass‘ persönlichem Geschmack. „Ich kann die Schrift entweder heraustreten lassen oder in das Buch hineinfalten lassen und dann kann ich entweder im 90 Grad Winkel anschneiden und entsprechend Falzen oder im 45 Grad Winkel falten. Das erzeugt dann eine besondere Tiefe“.

Angst vor Herausforderungen kennt die 57-Jährige bei diesem Hobby nicht. Demnächst prägt sie erstmals eine Fassade in ein Buch ein, auf Grundlage einer Fotografie. „Da bin ich schon gespannt“, sagt sie. Besonders schön sei es immer nach den letzten Knicken das fertige Werk in Händen zu halten und abzugleichen, inwiefern Ursprungsidee und fertiges Objekt zusammenpassen.

Der Werkstoff ihrer Wahl mutet mit etwas Abstand betrachtet an wie helles, geschnitztes Holz. Tatsächlich sind es ausgediente Readers-Digest-Ausgaben. „Da haben die Blätter eine schöne Farbe und gute Stabilität“, findet sie. Zudem machten auch die Einbände etwas her und selbst der textliche Inhalt stehe für ein gewisses Niveau. Zu Pfingsten präsentiert die hauptberufliche Grafikdesignerin, die in einem hannoverschen Handwerksbetrieb arbeitet, ihre Ideen erstmals auf einem eigenen Stand bei der Landpartie am Springer Jagdschloss. „Das ist dann die bisher größte Ausstellung und ich freue mich schon darauf“, sagt Nass.

Der Drang zu verkaufen entspringt ihrer Vorliebe, es im eigenen Zuhause aufgeräumt zu halten. Genau so, dass ihr Kopf stets frei ist für neue Ideen, und die Hände für tätiges Werk. „Ich mache das für mich, so zum runterkommen, so wie andere Menschen beim Sport treiben den Kopf frei bekommen.“ Dazu hört sie manchmal Radio, Musik oder Fernsehen. „Meditativ ist diese Sache allerdings nicht, denn dafür braucht es volle Konzentration“.