Eine besondere Art von Dankbarkeit

„Alle acht Stunden stirbt ein Mensch auf der Warteliste“, sagte Guido Hoffmann im Rahmen eines Vortrags, der von der Frauen-Union Bad Münder organisiert wurde. Wegen seiner Lebererkrankung, der Primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) stand der 49-Jährige vor einigen Jahren noch selbst drauf.

Inzwischen möchte der Münderaner mit Vorträgen und Medienauftritten aufklären und sensibilisieren, denn das Thema ist brandaktuell.

Ginge es nach den Plänen des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), sollte künftig jeder Bürger als Organspender gelten – bis auf Widerruf. Denn der Gesetzesentwurf sieht die sogenannte doppelte Widerrufslösung vor. Damit wäre jeder automatisch ein potenzieller Spender, könnte aber jederzeit „Nein“ sagen. Damit möchte der Minister den sinkenden Zahlen der Organspender entgegenwirken, denn Angebot und Bedarf klaffen weit auseinander. So warteten 2017 laut Eurotransplant 12620 Patienten auf eine neue Niere – bei 1334 gespendeten Organen.

„Am schlimmsten sind jene dran, die auf ein Herz warten“, sagte Hoffmann, denn diese hätten die höchste Sterblichkeitsrate. Auf ein neues Herz warteten 1123 Patienten, denen lediglich 251 Spenderherzen gegenüber standen. 2098 Patienten hofften auf eine neue Leber. Hier standen lediglich 674 gesunde Organe zur Verfügung.

In vielen europäischen Ländern sind Spahns Pläne bereits gängige Praxis, wie etwa in Frankreich, Irland oder Italien. Nicht so in Deutschland. Hier ist eine Organspende bislang nur nach einer ausdrücklichen Zustimmung möglich.

Spenden kann im Prinzip jeder, denn eine Grenze nach oben oder nach unten gibt es nicht. Bei Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren entscheiden die Eltern über die Spende. Ab 16 Jahren können die Jugendlichen selbst entscheiden und ihre Bereitschaft dokumentieren.

Hierbei greife lediglich das Prinzip „Old to old“, erklärte Hoffmann. Dies bedeutet, dass ältere Patienten Organe von älteren Menschen erhalten und jüngere Patienten hingegen die von jungen Verstorbenen. „Auch für mich hätte es keinen Sinn, wenn ich eine Leber von einem sehr jungen oder einem sehr alten Menschen erhalten hätte“, meint Hoffmann. Über seinen Lebensretter weiß er übrigens nicht viel, nur, dass dieser bei einem Autounfall verstorben sei. Denn: In Deutschland bleiben die Spender anonym.

Hoffmann erinnert sich: „Die Nachricht, dass ein passendes Organ gefunden wurde, erwischte mich eiskalt.“ Noch zwei Wochen davor hieß es, er müsse noch zwei Jahre auf eine neue Leber warten. Danach lief alles automatisch ab: „Ich musste die Tasche packen und die Kids versorgen“, erinnert sich der dreifache Vater heute. Ungewöhnlich war auch sein zweiter Gedanke: „Verdammter Mist. Ich habe Hunger und kann bis zu der OP nichts mehr essen“. Glücksempfinden? Im Gegenteil. „Ich habe viel an das Opfer denken müssen.“

Hoffmann leistet heute viel Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, hält Vorträge, besucht TV-Talkshows und hat über seine Erfahrungen sogar ein Buch geschrieben: „Lebertransplantation – meine sechs Monate zurück ins Leben“. „Ich will informieren und nicht missionieren“, sagt er und erklärt: „Es ist meine Art, dem Spender ‚danke‘ zu sagen.“ Seinem Lebensretter widmete er zudem ein Zitat: „Jeder Mensch möchte auf sein Leben zurückblicken und feststellen, dass er Spuren hinterlassen hat. Ich bin eine deiner Spuren.“

Auch für die Zuhörer in Bad Münder hatte Hoffmann eine wichtige Botschaft: „Nehmen Sie Ihren Angehörigen diese Entscheidung ab.“ Denn diese seien nach dem Tod mit der Frage nach der Organspende überfordert.

Wie weit die Bereitschaft zu spenden und selbst ein Organ zu empfangen auseinanderklaffen, präsentierte er anhand einer Gewissensfrage: „Wer von Ihnen würde im Notfall ein Organ annehmen?“, fragte er. Beinahe alle im Raum meldeten sich. „Und wie viele von Ihnen tragen einen Organspendeausweis bei sich?“ Es sind deutlich weniger.

Es sei die Angst, dass nicht alles Menschenmögliche getan werde, um das eigene Leben zu retten, erklärte Hoffmann. Doch diese Angst sei unbegründet. „In keinem europäischen Land nimmt man das Thema so ernst wie in Deutschland“, versicherte er. Als wichtigstes Kriterium bei der Organspende gilt der Hirntod, der von zwei dafür qualifizierten Ärzten diagnostiziert werden muss.