„Etwas bedingungslos machen“

. Wenn Britta Prusiecki einen Menschen besucht, um ihn auf seinem letzten Lebensabschnitt zu begleiten, dann hat sie oft eine Kantalele dabei, ein finnisches Zupfinstrument. „Musik ist etwas Verbindendes“, weiß Prusiecki.

VON ANNE BRINKMANN-THIES

Seit knapp zwei Jahren arbeitet sie ehrenamtlich beim Verein Hospizarbeit, hat schon einige Frauen und Männer am Ende deren Lebens begleitet.

„Ich wollte mich gerne ehrenamtlich engagieren, als die Kinder älter wurden“, erzählt die dreifache Mutter, die als Sonderpädagogin zugleich voll im Berufsleben steckt. „Und ich hatte den Wunsch, etwas bedingungslos zu machen“, sagt sie. Die 54-Jährige nahm an einem Kurs des Springer Hospizvereins teil. „Das hatte ich schon lange vor“, erzählt sie. Um sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen und auch, weil sie schon einmal selbst einen sterbenden Angehörigen begleitet hatte – und das als sehr intensives Erlebnis wahrnahm,

Der Sterbeprozess ähnele einer umgekehrten Geburt, durch die sich der aus dem Leben Scheidende hindurchkämpfe, beschreibt Prusiecki den Prozess, den sie inzwischen mehrfach begleitet hat. „Vergleichen kann ich es auch mit dem Symbol der Spirale, die sich zurückentwickelt“, sagt Prusiecki.

Aber natürlich sei jeder Mensch am Ende seines Lebens ein Individuum, habe seine ganz persönlichen Wünsche und Vorstellungen. Diese einfühlsam zu erspüren, sei sehr wichtig. „Ich muss empfänglich sein dafür, was mein Gegenüber mir signalisiert“, beschreibt es die Fähigkeiten, die Prusiecki nicht erst im Kurs des Vereins gelernt hat. Die gelernte Logopädin und Sprachtherapeutin hat im Alter von 45 Jahren Lehramt für Sonderpädagogik studiert. Nun ist sie hauptberuflich als Förderschullehrerin in der Inklusion an einer Grundschule tätig. Die Münderanerin weiß, wie man mit Menschen umgeht.

Auch mit Kindern solle man übrigens über das Thema Sterben und Tod sprechen, es sollte nicht tabuisiert werden, findet Prusiecki. Dass die Menschen, die sie am Ende des Lebens begleitet, meist gar nicht selbst über den bevorstehenden Tod sprechen, habe sie so nicht erwartet, sagt sie. Es seien oft Gespräche über die Sorgen der Sterbenden über ihre Angehörigen. Manche berichten aber auch von Dingen, die sie den Familienmitgliedern nicht erzählen mögen. Dinge, die mit Scham behaftet sind oder bisher verdrängt wurden. Und die sie sich bei Britta Prusiecki von der Seele reden können.

Mit anderen kommuniziert sie über die Musik, mit ihrer harmonisch klingenden Kantalele. „Manchmal lege ich dem Menschen das Instrument auf den Schoss, dann spürt er die Töne auch“, erzählt sie. Und mancher schätze auch den Humor, berichtet sie auch von Momenten der Leichtigkeit bei ihren Besuchen.

Ein bis zwei Mal in der Woche besucht Prusiecki einen Menschen. Wenn das Lebens-ende offenkundig bald bevorsteht, werden ihre Besuche häufiger. „Es gibt mir selbst viel Tiefe und Kraft, und es relativiert in meinem eigenen Leben vieles“, erzählt sie. Und fast täglich denke sie an ihre eigene Endlichkeit. „Begleiten kann ich aber nur, wenn ich ausgeglichen bin“, so Prusiecki. Wenn nötig, pausiere sie. Und schätze sehr die monatlich stattfindenden Treffen im Hospizverein. Einen Austausch gibt es dabei nicht nur mit den anderen Begleitern und mit den beiden Koordinatorinnen Susanne Rokahr und Katrin Moormeister. „Ohne die Stütze der Gruppe könnte ich mir diese Arbeit nicht vorstellen“, sagt sie. Auch Referenten kommen zu den Zusammenkünften, geben neue Impulse. „Und es gibt im Verein tolle Fortbildungen“, erzählt Prusiecki. Einen ersten Besuch bei einem Menschen, der begleitet werden möchte, machen die Ehrenamtlichen übrigens immer an der Seite eines Koordinators, berichtet Rokahr. Wann der richtige Zeitpunkt für eine Begleitung ist, sei schwer zu sagen. „Von unserer Seite ist aber alles möglich“, so Rokahr.