Motorradfahren als Leidenschaft

Henning Thies startet, wenn die Sonne scheint, kommt aber auch klar, wenn das Wetter umschlägt. „Die Regenkleidung ist immer im Tankrucksack“, sagt er. Über heimische Landstraßen geht’s durchs Weserbergland, das Extertal, in den Harz. Den Nienstedter Pass hat er zwei Jahre nicht befahren.

VON KATHARINA WEIßLING

„Manche, die vom platten Land hierher kommen, verwechseln solche Strecken mit einem Sportplatz, den sie hoch und runter fahren“, kritisiert er. Er wählt andere Wege, liebt nicht nur Kurven, sondern Abwechslung. „Deutschland ist voller schöner Landstraßen“, bemerkt er.

Sitzt Thies einmal im Sattel, fährt er, solange er Lust hat – meistens 200 Kilometer und mehr. „Motorradfahren ist ein guter Ausgleich zu meinem Beruf“, sagt der Technische Leiter der Deister-Süntel-Klinik. „Nur wenn ich zu viele Sachen im Kopf habe und merke, dass ich abgelenkt bin, ist es besser, schnell wieder umzudrehen und abzusteigen.“

Im Urlaub fährt er weiter: Quer durch Europa hat ihn sein Hobby geführt – die Dolomiten, Sardinien, Korsika die französischen Seealpen, die Vogesen. „Für mich ist Motorradfahren vom reinen Fortbewegungsmittel zur Leidenschaft geworden“, sagt Thies. Seine erste NSU Quickly hatte er sich noch mit Landarbeiten verdient. „Stroh pressen, abladen, solche Sachen halt, das war typisch für uns Luttringhäuser Jungs“. Erste Autos leistete er sich erst ab 25. „Die habe ich billig gekauft und nach dem Winter wieder verkauft, um weiter Motorrad zu fahren“. Mit manchen der Freunde von damals fährt er heute noch Touren. In 90 Prozent aller Fälle startet Thies aber allein. Seine aktuelle Maschine sei „ein Powerbike im Schafspelz“. Die KTM Superduke 1290 Gran Tourism ist für lange Fahrten ausgelegt. Platz für Gepäck bietet sie, läuft ruhig, hat sämtliche Finessen inklusive eines Tempomaten. „Dann kann ich auch mal die rechte Hand kurz vom Lenker lösen und ausstrecken.“ Seine zweite Maschine ist eine BMW-Boxer in Lupinenblau, eine Spezialumrüstung zum zehnjährigen Jubiläum seines Händlers. „Gesehen und verliebt, die habe ich an einem Samstag Probe gefahren, am Montag gekauft, weil es sie so ja nur einmal gibt“, erklärt Thies.

Letztes Jahr in den Vogesen schlitterte er mit nagelneuer Maschine plötzlich über den Asphalt. „Nach dreißig Jahren ohne Unfall bin ich nach einer Kurve auf Rollsplit ausgerutscht“, erzählt Thies. Obwohl die Koffer Schaden von der Maschine abhielten, war der Kühltank angeschliffen, die Fingerknöchelausbuchtungen seiner Hightech-Motorradhandschuhe kannten keine Wölbungen mehr, der Helm hielt und sah dennoch übel aus. „Danach konnte ich tatsächlich weiterfahren und war absolut dankbar für meine Motorradkleidung“, sagt er. Ohne würde er nie fahren. Die Maschinen glänzen längst wieder, die Kombi ist repariert. „Den Wind direkt spüren, den Frühling riechen, merken, dass in einer Senke die Luft steht – Motorradfahren ist etwas anderes als Autofahren“, sagt der 56-Jährige und freut sich unbändig auf den Frühling.