„Ich habe einen hohen Anspruch“

Vor rund 15 Jahren war das Schauspieler-Ehepaar Leslie Malton und Felix von Manteuffel zum ersten Mal zu Gast beim Kunstliebhaber, Mäzen und Mediziner Dr. Ernst Jürgen Kirchertz. „Daraus ist eine dicke Freundschaft geworden“, berichtet der Egestorfer, der 1999 aus Hülsede an den Süntel kam.

VON ANNE BRINKMANN-THIES

Auch Martin Walker, Schriftsteller mit schottischem Wurzeln und Wohnsitz im französischen Südwesten, war schon drei Mal in Egestorf. Und hat Kirchertz auch in dessen Wassermühle besucht, die der wiederum im Périgord in Frankreich besitzt. Dass der Mediziner fließend französisch spricht, ist seiner Assistenzzeit am Pharmakologischen Institut der Universität Lausanne geschuldet, wo er von 1972 bis 1977 arbeitete, bevor er nach Göttingen zog. Dort war er vom damaligen Pionier der Dialyse, Professor Fritz Scheler, als Mitarbeiter ausgewählt worden. „Meinen Beruf habe ich geliebt“, sagt Kirchertz, der bis 2006 als Chefarzt neben einer 20-Betten-Station und einer ambulanten Dialyseeinrichtung auch noch eine eigene internistische Praxis in den Räumen der Deister-Süntel-Klinik führte. Danach ließ er sich in einem Medizinischen Versorgungszentrum anstellen, bevor er im Jahr 2017 in den Ruhestand ging.

Beruf und Privates habe er stets getrennt, berichtet der Mediziner. Zu Hause habe er zum Beispiel niemals Fachliteratur gelesen. „Man muss eine Balance finden“, ist er sicher. Und es gibt noch eine Regel im Haus Kirchertz: „Die Künstler übernachten privat bei mir – und sie lieben das“, erzählt der 75-Jährige. Und so fühlen sich nicht nur Schauspieler und Schriftsteller in dem großzügigen Fachwerkhaus wohl, auch Musiker etwa des preisgekrönten französischen Quartetts „Quatuor Ebène“ kommen gerne in das idyllische Kulturzentrum: Sie schätzten nicht nur das fließende Französisch ihres Gastgebers, sondern auch dessen Weinkeller.

Erbaut wurde der Schaafstall im Jahr 1829 – und 1985 restauriert.Das Gebäude hat nicht nur eine Fußbodenheizung und eine professionelle Beleuchtungsanlage, die sich für Konzerte und auch für Theater-Aufführungen eignet, sondern auch eine sehr gute Akustik, berichtet Kirchertz.

Die erste Veranstaltung im Mai 1999 allerdings war eine Ausstellung mit seltenen frühen Arbeiten des Hamburger Zeichners Horst Janssen. „Ich hatte schon in den 70er Jahren angefangen, Horst Janssen zu sammeln, der damals als enfant terrible galt“, erzählt Kirchertz. Eine Einführung in die Vernissage damals übernahm der Mediziner selbst, der viele Jahr auch dem Kunstverein Göttingen vorstand. Mit dem Sammeln von Kunst begann Kirchertz bereits als Student. Und sein Interesse für die Kunst, die Musik und das Theater rühre sogar seit Schulzeiten, erinnert er sich.

Ist der Experte früher noch Künstlern hinterhergereist, um sie für Auftritte in Egestorf zu gewinnen, so kann sich der Kulturfreund dank eines großen Bekanntheitgrads heute kaum retten vor Anfragen von Künstlern, die in dem Schaafstall auftreten möchten. „Man darf sich aber nie ausruhen“, weiß der Kunstmäzen, der im Jahr 2012 den Verein „Kultur im Schaafstall“ gründete, der heute rund 130 Mitglieder zählt. Einmal im Jahr bietet der Hausherr eine Mitgliederveranstaltung an – Ausnahmen gibt es keine. Wer dabei sein will, muss Mitglied sein. In diesem Jahr ist „Ein Gespräch in Briefen“, eine szenische Lesung mit Musik anberaumt. Anschließend gibt es einen Empfang und Imbiss.

„Ich habe einen hohen Anspruch“, macht Kirchertz deutlich. Dennoch kann er längst nicht alle Künstler in seinem Veranstaltungsprogramm unterbringen. „Manchmal bekomme ich sogar ein ganzes Orchester angeboten“, sagt er. Das findet natürlich keinen Raum im einstigen Stall. Sehr wohl aber spielen hier preisgekrönte Ensembles und Pianisten wie etwa Haijou Zhang, der am 16. März mit fünf Solisten der NDR-Radiophilharmonie Werke von Mozart; Bottesini und Dvorak spielt. Und dabei Platz nimmt an einem Yamaha C3-Flügel. Der stand bis 1999 noch in einem Haus von Kirchertz – im französischen Perigord.