Anpfiff für die Krötenwanderung

Bad Münder . „Als ich das zuerst gesehen habe, dachte ich: Wir müssen das Haus verkaufen“, sagt Anne Zuzmann. Über ihr frisch erworbenes Grundstück an der Ziegelei 1 in Bad Münder wanderten Kröten über Kröten, um zu genau dem Teich zu gelangen, in dem sie geboren wurden. „Sogar auf dem Fußabtreter vor der Haustür waren welche. Da habe ich zuerst entsetzt die Haustür zugeschlagen und meinen Mann gerufen“, sagt sie heute amüsiert.

Das Befremden hat sich gelegt. Mit bloßen Händen sammeln Anne Zuzmann und ihr Mann Gerd-Dieter Walter mit Mitstreitern von März bis Mai schon seit Jahren Kröten und Molche am Nabu-Krötenzaun direkt vor ihrer Haustür ein, um sie ein paar hundert Meter weiter wieder in ihren Geburtsteich zu entlassen. „Alle Versuche, sie woanders anzusiedeln, sind fehlgeschlagen – das liegt in deren Genen“, sagt Zuzmann.

„Nachdem wir uns das Elend zwei Jahre lang angeschaut hatten, wollten wir nicht mehr mit ansehen, wie die Tiere massenweise überfahren wurden“, erzählt das Ehepaar. Das Schlachtfeld wurde immer erst im Licht des nächsten Morgens offenbar. Also nahmen die beiden Kontakt zum örtlichen Nabu auf und traten selbst in Aktion. Seit 1987 gibt es einen Krötenzaun an der Süntelstraße ab dem Zufahrtsweg zum Umspannwerk Hastra weiter in Richtung Bergschmiede.

„Zuerst war das so ein Behelfsding mit angetackerter Plane, seit ein paar Jahren haben wir einen Spezialzaun, der nicht nur hält, sondern mit ein paar Helfern in zweieinhalb Stunden aufgebaut ist“, sagt Gerd-Dieter Walter. Am morgigen Sonntag geht es wieder los. Wer dem Nabu-Team helfen will, den 350 Meter langen Zaun aufzubauen oder bis zum Rückbau am 1. Mai einsammeln zu helfen, ist eingeladen, dazuzukommen – und vorher Anne Zuzmann unter 05042/5560 anzurufen.

Ingo Stuhr ist einer, der von Anfang an mit sammelte. „Als Mitglied der Waldjugend bin ich in den ersten Jahren noch mit dem Fahrrad hergeradelt um Kröten einzusammeln“, berichtet er. Inzwischen nehmen seine Frau und er oft auch ihre beiden Söhne Christopher und Arne mit. „Gerade wenn da hunderte Kröten herumlaufen, ist das absolut spannend“, berichtet die Familie.

Und so ist sogar der Molch des Jahres 2019 für die ganze Familie Stuhr ein alter Bekannter. Schwarz, etwas größer als andere Artgenossen und im Fall der Männchen mit gelben Punkten am Widerrist erkennen sie den Bergmolch leicht inmitten der dicken Kröten und anderer Amphibien. „Genau so ist das wunderbar“, lobt Anne Zuzmann. „Wenn wir keinen Kontakt zu den Arten haben, die schützenswert sind, dann funktioniert es auch nicht. Es ist wirklich gut, wenn schon Kinder mal eine Kröte in der Hand haben.“ Unverdrossen werben sie und ihr Mann um Rücksichtnahme für die Amphibien und freuen sich über neue Mitstreiter. Der Erfolg gibt den Helfern an der Süntelstraße Recht. Während andere Krötenwanderwege in Bad Münder wie zum Beispiel an der Ziegenbuche in den vergangenen Jahren aus ungeklärten Gründen zum Erliegen gekommen sind, ist die Population an dieser Stelle seit Jahren stabil.

Mehr als 2000 Kröten, Molche und Frösche landeten voriges Jahr in den Eimern und schließlich im angestrebten Laichteich in der Nähe des Umspannwerks an der Süntelstraße. „Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass diese Kröten hier gar nicht in Kontakt mit landwirtschaftlichen Flächen kommen“, sagt Zuzmann. Wissenschaftliche Studien legten nahe, das Glyphosat auch mitverantwortlich für verbreitetes Amphibiensterben sei. Bei der milden Witterung kann es jetzt jeden Tag losgehen mit der Amphibienwanderung, sind sich die Naturfreunde einig. „Mehr als 7 Grad, Windstille und am besten noch etwas Regen und schon ist Anpfiff in der Dämmerung“, sagt Michael Exner, der sich um die Sperrung an der Ramena am Golfplatz kümmert. Die Tiere hätten solchen Laichdruck, dass sich auf einen Schlag Massen in Bewegung setzten. „Den Weg in die andere Richtung macht später jeder in seinem Tempo, da ist das was anderes“, sagt Zuzmann.

Weitere Sperrungen im münderschen Stadgebiet gibt es an der K76 zwischen Nienstedt und Messenkamp und an der Ramena. Hier wird vom 1. bis 30. März von 18.30 bis 7 Uhr und vom 31. März bis 1. Mail von 19.30 bis 7 Uhr voll gesperrt. Für die Ramena wird noch ein Helfer gesucht, der für die Dauer von zwei Wochen Baken aufstellt und wieder abbaut.