Wenn Scheitern das Fliegen lehrt

VON KATHARINA WEIßLING

Bad Münder. „Scheitern, das ist es“, sagt Samira Shehada mit Blick auf ihren Tablet-Computer, der ihr hilft, manche Gedankengänge aus dem Arabischen ins Deutsche zu übertragen. „Wenn ich scheitere, dann fühle ich mich traurig. Ich hasse das. Viel lieber mag ich hoch fliegen“, sagt die 49-Jährige mit einem Lächeln.

Und es zeichnet sie aus, Chancen zu nutzen, auf Stärken zu setzen und schlechte Erfahrungen nicht einfach auszusitzen. Seit sie 2013 in Bad Münder ankam, nachdem sie drei Monate lang alleine mit ihrem Sohn aus Syrien geflüchtet war, hat sie Deutschkurse absolviert, jede Fortbildung gemacht, die ihr angeboten wurde und sehr klar kommuniziert, was sie kann. „Ich will immer mit Kindern arbeiten, putzen kann ich nicht, da bin ich ehrlich.“ Ein typischer Satz für Samira Shehada.

Offenbar schickt 2018 sich an, ihr Jahr zu werden. Denn schon auf dem Neujahrsempfang des Ortsrates Bad Münder hatte sie am gleichen Tisch gesessen wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Schraps. Und dabei gerne und ausgiebig mit ihm über Politik gesprochen.

Prompt bot er der früheren syrischen Grundschullehrerin an, sie gemeinsam mit weiteren Tischnachbarn nach Berlin einzuladen: Zu einer Bildungsreise, organisiert durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

Gerade ist die kleine Delegation zurück: „Das war schön; ich bin sehr glücklich, weil ich mir sehr gewünscht habe, einmal nach Berlin zu kommen“, sagt Samira Shehada.

„Über Politik spreche ich immer gerne und es war gut, an all diesen historischen Orten zu sein.“ Wissen über Berlin habe sie seit ihrer eigenen Schulzeit, in der Weltgeschichte gelehrt wurde. Gespräche über Politik begleiten sie ihr ganzes Leben lang. „Ich komme ursprünglich aus Palästina, da ist es normal, sich mit diesen Themen zu beschäftigen“, erklärt sie.

Zurück in Bad Münder feilt Samira Shehada an ihrem Ziel, noch weiter anzukommen in der neuen Wahlheimat. Erst im vorigen Jahr hatte sie ein dreimonatiges Praktikum in einer Bibliothek in Hannover angenommen. In Vollzeit, verbunden mit viel Fahrerei und auch manchem frustrierenden Erlebnis, weil die Sprachbarriere sie immer wieder herausfordert.

„Ich bin etwas schüchtern und kann es nicht gut haben, wenn jemand von mir denkt, ich sei zu blöd“, erinnert sie sich an die Einweisung einer Mitarbeiterin in das Computerprogramm der Bibliothek. Letztlich aber biss sie sich durch und nahm ein wohlwollendes Empfehlungsschreiben ihrer Chefin mit nach Hause.

Es folgte ein Qualifizierungskurs zur pädagogischen Mitarbeiterin. „Das habe ich geschafft“, erzählt sie stolz, froh und mit einem Rest Staunen in der Stimme. Es ist eine Aufgabe, die ihr liegt.

Mal schaut die 49-Jährige in den Pausen und in der Mensa nach den Mädchen und Jungen in der Grundschule Bad Münder, ein anderes Mal unterstützt sie die Lehrkraft in einer Förderklasse.

Dabei helfen ihr manchmal sogar ihre Arabischkenntnisse weiter, berichtet Samira Shehada „Am liebsten würde ich das Vollzeit machen“, sagt sie. Und freut sich ganz besonders über das Vertrauen von Schuldirektor Christoph Schieb, der sie einstellte.

Gut möglich, dass sie zu einer weiteren Schule fahren müsste, um ihre Stunden auszuweiten. Nächsten Monat drückt Samira Shehada selbst wieder die Schulbank. In einer Fahrschule. Denn ihr syrischer Führerschein war während der Flucht mit allen anderen Papieren in Serbien abhanden gekommen.

Das sei zwar nicht zu ändern, sagt die 49-Jährige. Aber dennoch bedeutet es für sie eine Niederlage. Und mit Niederlagen mag sich Samira Shehada nun einmal nicht einfach abfinden.