Kneippen und Schnacken

VON KATHARINA WEIßLING

Klein Süntel. Wespenstichwetter und Sonne pur. An Tagen wie diesen „ist an unserer Wassertretstelle der Bär los“, sagt Hartmut Göbel nicht ohne Stolz. Er ist einer der Ehrenamtlichen, die das wohl idyllischste Kneipp-Becken in Bad Münder pflegen. Täglich in der Saison, die von Anfang April bis in den Oktober hineinreicht.

Sechs bis acht Grad kalt ist das Wasser. Gespeist wird das Becken seit 29 Jahren vom Steinbach. Dort, wo früher nur eine behördliche Messstelle war, hatten Mitglieder des Vorgängervereins des heutigen Verkehrs- und Verschönerungsvereins Klein Süntel / Flegessen (VVV) das Becken angelegt. 2018 präsentiert es sich wohl attraktiver denn je. Tatsächlich ist die Anlage in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

„Wir haben uns aus reiner Bequemlichkeit für hervorragende Qualität entschieden“, sagt der Ortsbürgermeister und Vereinsvorsitzende Detlef Olejniczak mit Blick auf die Neugestaltung der Anlage im vorigen Jahr.

„Das war einfach unangenehm, alle zwei Jahre bei der Forst um neues Holz zu bitten, um morsches wieder zu ersetzen, sagt er. Also umgeben nun hochwertige Edelstahlgeländer das Wassertretbecken, eine fachgerecht errichtete Brücke ermöglicht ein sicheres Überqueren des Steinbachs.

Und da, wo Kinder mit Vorliebe dicke Ufersteine in die Mitte des Bachs warfen, erhält nun verzinkter Zaundraht die gewünschte Ordnung aufrecht. Dass das kühle Nass genutzt wird, darum macht sich hier niemand Sorgen. Der Wirkungsgrad der Wassertretstelle reicht weit über den Dorfschnack hinaus. Auswärtige steuern sie bewusst an. Kaffeekränzchen werden ebenso hierher verlagert wie Kindergartenausflüge. Auch Feuerwehrleute aus Hachmühlen werden hier regelmäßig bei der Pflege strammer Waden gesichtet. Anmelden muss sich keiner, willkommen ist jeder, der gern Wasser tritt und außerdem die Idylle schätzt. Dass ausgerechnet hier im Wald eine solche Wassertretstelle errichtet wurde, erklärt Detlef Olejniczak sich mit den Sommerfrischen längst vergangener Tage: Tourismus habe in Klein Süntel Tradition. „In der Nachkriegszeit haben viele Familien hier ihre Privatquartiere an Urlauber aus Hamburg und Berlin vermietet, um sich etwas dazuzuverdienen“, erzählt er. „Ich kannte das selbst als Kind: Morgens die Kartoffeln mit der Schubkarre vom Garten in den Keller befördern, mittags die Koffer der eintreffenden Busgäste mit der gleichen Schubkarre von der Gaststätte Meder bis zur Unterkunft befördern.“

Ob es nun ein Gast oder ein Fernreisender aus Klein Süntel war, der die Idee zur Anlage mitbrachte, ist nicht klar. Die Lage der bereits eingerichteten behördlichen Messstelle am Bach war auf jeden Fall günstig. Und so wurde losgemauert. Seitdem hat sie sowohl Stürmen wie rasch aufgeklärtem Vandalismus standgehalten und wurde nebenbei eigentlich immer schöner. Die Flegesser und Klein Sünteler haben ihre Wassertretstelle im Blick. 8000 Euro hatten Verein und Spender in die jüngsten Maßnahmen investiert. Beinahe täglich radelt ein Ehrenamtlicher zur Wasserstelle um mit dem Besen das zuvor abgelassene Becken auszukehren. „Das mache ich gerne, ist ja für die Gemeinschaft“, sagt Hartmut Göbel. Und so zuverlässig wie er handhaben auch andere die Pflege der Anlage. Darunter auch manche über 80-Jährige, denen die selbst auferlegte Kneipp-Kur offenbar bekommt.

„Wir legen einmal bei der Jahresversammlung fest, wer dran ist. Dann sind immer für zwei Wochen zwei Leute verantwortlich und teilen das unter sich auf“, erklärt Ortsbürgermeister Detlef Olejniczak. Der Besen steht einigermaßen versteckt, die Technik beherrschen Männer wie Frauen sicher. Nur eines stinkt den engagierten Bürgern gewaltig. Männer, die ein Leben lang Windeln gemieden haben, entsorgen nun notgedrungen Hundekothaufen wie Babyhinterlassenschaften aus dem aufgestellten Mülleimer in ihre eigenen Hausmülltonnen. „Das ist eklig und muss doch nicht sein“, regt Olejniczak sich über diesen Aspekt des Ehrenamtes auf. Und erklärt nebenbei jedem, dass er auch geleerte Flaschen wieder mitnehmen dürfe. 95 Prozent der Hunde hätten das angebrachte Schild zu ihrer Badestelle rechts des Kneipp-Beckens inzwischen übrigens zu lesen gelernt. Zur Belohnung dürfen sie ihre Pfoten im Naturbach kühlen.