Eine andere Art Verbeugung

Ein stellvertretender Bürgermeister auf den Knien, einen Putzschwamm in der Hand – das sorgt auch in der münderschen Fußgängerzone für Aufmerksamkeit. Doch dass Uwe-Peter Keil mit seiner Tätigkeit den Blick auf die Stolpersteine lenkt, ist lediglich ein ihm nicht unangenehmer Nebeneffekt.

Sein eigentliches Ziel: Die Gravur auf den vor vier Jahren in das Pflaster eingelassenen Messingsteinen wieder besser lesbar zu machen.

Die Stolpersteine wurden vom Künstler Gunter Demnig installiert – als Teil eines Projektes, das inzwischen in mehr als 20 Ländern an Opfer der NS-Zeit erinnert. In Bad Münder wurden die Steine vor Häusern, aus denen Münderaner zu ihrer Ermordung geholt wurden, gesetzt.

Keil war im September 2015 Mitglied des Arbeitskreises, der sich für Stolpersteine auch in Bad Münder einsetzte. „Wir müssen die Erinnerung daran wachhalten, was Bürgern dieser Stadt, Bürgern in ganz Europa, passiert ist“, sagt Keil, während er vorsichtig mit einem Schwamm und Reinigungsmittel den Namen von Ingrid Friedheim wieder sichtbar macht. 1936 wurde sie geboren, 1943 deportiert und in Auschwitz ermordet. All das steht auf dem Stein, den Keil auf diese Weise wieder in den Blick rückt.

Und kaum hat er ihn abgespült, halten die ersten Passanten an, lesen, was dort im Boden eingelassen steht. „Wenn man nichts sieht, stolpert man nicht darüber, wird man nicht zum Nachdenken angeregt“, sagt Keil. Dass sich dafür ein stellvertretender Bürgermeister die Finger etwas schmutzig macht, findet er vollkommen in Ordnung. „Wenn man bedenkt, dass es schon wieder losgeht, dass Menschen wegen ihrer Gesinnung, ihrer Hautfarbe angegriffen werden – dann ist es unsere Aufgabe, die Erinnerung an eine unselige Zeit weiterzugeben, damit so etwas nie wieder passiert.“