Drei Generationen gemeinsam

Die Jahreszahl 1904 prangt auf dem Haus der Familie Viecens. Die Villa ist ein Schmuckstück an der Angerstraße, das Leben innerhalb seiner Mauern nicht minder besonders. Denn hier leben drei Generationen unter einem Dach.

Nicht, weil das schon immer so war in dem ehrwürdigen Gebäude und man sich arrangiert hätte. Sondern, weil die Viecens es bewusst zu diesem Zweck ausgesucht haben.

Von Garbsen aus zog Gabriele Viecens gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Schwiegertochter und ihrem Sohn nach Bad Münder. Der Arbeit wegen. Genauer: Der Arbeit der Schwiegertochter, ganzheitlich betrachtet. Denn die junge Lehrerin hatte nicht nur eine Stelle an der KGS angenommen, sondern auch die Familienplanung im Blick. „Da war ganz klar, dass sie diejenige sein muss, die den kürzesten Arbeitsweg haben muss“, sagt Viecens, heute stolze Oma zweier Enkel, die gerade vier Jahre und neun Wochen alt sind und unter einem Dach mit ihr aufwachsen.

Lange bevor es so weit war, hatte die Seniorin selbst ihre Prioritäten sortiert. „Wir hatten in Garbsen unser gemachtes Nest und mein Sohn und meine Schwiegertochter hatten schon ein paar Jahre oben im Haus gewohnt, also hatten wir uns ausreichend beschnuppert, um zu wissen, dass wir uns mögen“, sagt Gabriele Viecens.Spätestens mit der Anstellung von Jeanette in Bad Münder aber geriet das bestehende Konzept in Frage. „Zu dem Zeitpunkt hätte ich mir alles vorstellen können“, sagt Jeanette Viecens. Zum Beispiel zu bleiben oder zu zweit andernorts durchzustarten. In der Zwischenzeit bat Gabriele Viecens um ein Gespräch. „Wenn sie geblieben wären, hätte meine Schwiegertochter womöglich stets das Gefühl gehabt, letztlich die Dazugezogene zu sein“, argumentierte Gabriele Viecens und bot kurzerhand an, das bestehende Heim zu verkaufen, um gemeinsam mit den jungen Leuten etwas Neues zu suchen.

Auf deren überraschte Gesichter folgte langes Warten. „Sie hatte völlig Recht, für mich wäre Garbsen auf lange Sicht so gewollt und nicht gekonnt gewesen“, sagt Jeanette. Zu eng, zu wenig Zimmer für den geplanten Familiennachwuchs allemal. „Und dann habe ich gemerkt, dass mein Mann nicht ohne seine Mutter wollte“, schmunzelt sie. Sie bedankte sich für das große Entgegenkommen und schrieb auf, welche Bedingungen das neue Zuhause erfüllen müsste, um sich für sie persönlich stimmig anzufühlen.

Eine Woche nachdem sie und ihr Mann grünes Licht gegeben hatten, war Gabriele Viecens fündig geworden. „Und dann waren alle verzaubert von diesem Haus“, erinnert sich Gabriele Viecens. 2012 war Einzug, heute erscheint die denkmalgeschützte Villa wachgeküsst aus langem Dornröschenschlaf. Äußerlich zu neuer Schönheit gelangt und sorgfältig restauriert, ist innen Leben in der Bude. Theoretisch führen zwei Wege in den wunderschönen großen Garten, faktisch aber geht es stets durch Omas Terrassentür nach draußen.

Gegessen wird oben wie unten häufig gemeinsam, zwanglos und zweifelsohne praktisch sind die kurzen Wege zwischen den an sich getrennten Wohnbereichen. „Wenn ich morgens den Hund rauslasse und Mari die Tür klappen hört, stürzt er die Treppe runter zu mir“, erzählt Gabriele Viecens. Ihre Bettkante sei ein heiß geliebter Ort und eine schöne Flucht für den großen Enkel, wenn oben das neugeborene Baby schreit. Das Gästezimmer unten ist Ruhepunkt, wenn Axel Viecens lange Klausurnächte bevorstehen.

„Wir sind beide zu Oberstudienräten befördert worden, das geht nur, wenn wir den Rücken frei haben“, fasst Jeanette Viecens zusammen. Dafür, dass die Infrastruktur zu Hause passt, sorgen inzwischen auch ihre eigenen Eltern. Mit gleichem Familiensinn und Wertebild ausgestattet wie die Viecens, sind auch Eva und Dieter Przydanek inzwischen nach Bad Münder gezogen, wenige Minuten von der Villa entfernt. „Im Sprachgebrauch sind wir dazu übergegangen, das, was wir hier so treiben, Clanleben zu nennen“, lacht Jeanette Viecens.

Im großen Garten packen alle mindestens einmal im Monat gemeinsam an. Opa Przydanek ist handwerklich geschickt, Gabriele Viecens erledigt wichtigen Papierkram, Axel ist der hart arbeitende Mann der Familie, Jeanette kümmert sich zurzeit vor allem um die Kleinsten der Familie, ihr Rückhalt, die sehr praktisch veranlagte eigene Mutter. Alle gemeinsam wirken glücklich mit dem Wechselspiel von Nähe und großer Freiheit, das gerade dieses Modell erlaubt. Was dafür nötig ist? „Die innere Grundhaltung, dass wir uns mögen und es gut miteinander meinen“, sagt Gabriele Viecens.