Ein Wechsel ist auch eine Chance

Der Werkstoff Glas fasziniere ihn, sagt Hermann Wessling. Foto: Grube

Der Werkstoff Glas fasziniere ihn, sagt Hermann Wessling. Foto: Grube

Ohne Pläne ging er zum Elternabend seiner Tochter – und kam als Elternsprecher wieder. Das war sein erstes Ehrenamt. Heute blickt Hermann Wessling auf rund 40 Jahre vielseitiges freiwilliges Wirken.

Das Ehrenamt ist für die Lebensqualität einer Gesellschaft von elementarer Bedeutung“, sagt der gebürtige Ruhrpottler, der 1973 nach Bad Münder zog. Seine ehrenamtliche Vita in den Fokus zu stellen, ist ihm fremd. Vielmehr erzählt er leidenschaftlich wie ausschweifend von den Projekten, für die er sich engagiert. Seinen persönlichen Einsatz muss man eher aus ihm herauskitzeln.

Über den Schul- und später Stadtelternrat kam er 1981 ins politische Engagement – „weil ich mich ärgerte, dass die Kommunalpolitik nicht zu Potte kam mit dem Ausbau kindgerechter Bushaltestellen“. Zur vierten Legislaturperiode aber gab der Liberale sein Mandat aus „Frust“ über das Wie des Politikmachens zurück.

Teamwork sei für ihn nicht nur ein Schlagwort. „Es ist die Voraussetzung für Erfolg“, betont Wessling, „gerade im Ehrenamt, bei dem nur die Motivation zählt“. Er habe gelernt, dass bei allem Selbstbewusstsein, das ein jeder durch Erfahrungen und Talent habe, man immer nur gemeinsam stark sein könne. Jahrzehntelang sei es sein Job gewesen, Aufgaben zu definieren und dafür die richtigen Kandidaten zu finden, reflektiert der ehemalige Personalmanager in der hiesigen Glashütte. Gerade das helfe einem im Ehrenamt, bei dem es um nichts anderes gehe. Sein Credo: Herausforderungen auf breite Schultern verteilen und Verantwortung auch mal abgeben.

Lange war er in der Sozialraum-AG, dem Netzwerk, das sich für ein besseres soziales Miteinander einsetzt, in vorderer Reihe tätig. Obgleich er es vermeiden wollte, wie er selbst sagt, „blieb der Ball an mir hängen“. Heißt: 2003 übernahm er die Moderation. Zehn Jahre lang, bis er auf einen Generationswechsel drängte, den es seinerzeit mit Grundschulleiter Christoph Schieb gab. „Ein Wechsel ist auch die Chance für kreative Veränderungen“, glaubt der studierte Diplom-Soziologe. Noch heute gehört er dem Sprecherteam an. In die Sozialraum-AG ist er übrigens als Vorsitzender des Pfarrgemeinderats gekommen. Denn auch im kirchlichen Bereich setzt sich Wessling ein. Am Aufbau der Münderschen Tafel vor zehn Jahren war er ebenso beteiligt. Als sich der Trägerverein gründete, stand für ihn fest: Den Vorsitz macht ein anderer. Anfang des Jahres zog er sich dann komplett aus der Vorstandsarbeit zurück.

Was ihn am meisten beschäftigt, ist der Vorsitz des 2006 gegründeten Forum Glas. Größtes Projekt bisher: die geförderte archäologische Ausgrabung von Überresten einer alten Glashütte in Klein Süntel. „Bis heute bin ich von dem Werkstoff Glas fasziniert“, schwärmt Wessling. Von der jahrhundertealten Tradition gleichermaßen wie von der „modernen Technik in rasanter Schnelligkeit und größter Präzision“ Glasverpackungen entstehen zu lassen. Seine Intention: „Das muss man doch irgendwie dokumentieren.“ Nur selbst glaskünstlerisch tätig zu werden, sei nicht sein Talent, gesteht er. Freizeit habe er weniger als seiner Frau lieb wäre. „Ich habe zumindest noch den Wunsch, die ungelesenen Bücher in meinem Schrank irgendwann mal lesen zu können“, schmunzelt Wessling, „ob und wann das der Fall ist, kann ich heute nicht sagen“.