Gott-Schnipsel und ein Trauma

Viele kennen sie als Sprecherin im Fernsehen, wenn sie am Sonnabendabend „Das Wort zum Sonntag“ predigt, die Wennigser Pastorin Annette Behnken. Dass sie auch eine hervorragende Vorleserin ist, davon konnten sich etwa 50 Zuhörer im Forum der Sparkasse überzeugen.

Zwei, fast auf ihren Beruf zugeschnittene Satiren von Heinrich Böll hatte sie aufgeschlagen. Ein Tonband im Schneideraum eines Rundfunkstudios spielte den unsichtbaren Mittelpunkt in „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“. Fast pedantisch beschreibt Böll in seiner Kurzgeschichte das Handeln der Protagonisten. Die Geschichte stellt eine satirisch, karikierende Abrechnung mit dem Rundfunksystem der 50er Jahre dar und verdeutlicht deren Umgang mit Nationalsozialisten.

Eine Welt, die dauerndschreit und laut ist

Böll will mit dieser Darstellungsform einer Welt entgegentreten, „die dauernd schreit, die laut ist und auch schon damals laut war und heute noch lauter ist“. Es liegt an Murke, „dem Schweigen einen Altar zu bauen“. Dieser Murke, ein im Innern opponierender Protagonist, durchlebt mit Spot und distanzierter Furcht die Funktionsmechanismen eines Rundfunkbetriebes. Er durchlebt Albträume, während er tagsüber Bur-Malottkes Vortrag bearbeitet. Das Wort „Gott“ aus einem Vortrag herauszuschneiden und durch „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ zu ersetzen ist schon skurril und sorgte bei den Zuhörern für ein Lächeln. Doch Murke wäre nicht er selbst, wenn er die Gott-Schnipsel nicht in einer Blechdose aufbewahren würde. Die wiederum finden später in einem anderen Beitrag Verwendung.

Die heute 48-jährige, in Bielefeld geborene evangelische Theologin mit Tanzausbildung hat in Göttingen studiert und bis 2005 ein Vikariat in Hildesheim absolviert. Bevor sie 2012 die Pfarrstelle in der Klosterkirche Wennigsen übernahm, war sie sieben Jahre lang Pastorin bei Seelze. Seit 2010 ist sie mit ihren Morgenandachten auf NDR-Kultur und NDR-Info zu hören. Dass sie in ihrer Erzähl- und Vorleseart über eine gute Profession verfügt, war ihr Zeile für Zeile anzumerken. „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ war die zweite Portion Satire, die Behnken nach der Pause servierte. Die Geschichte ist nicht ganz unkritisch und musste sich auch als „Verunglimpfung des deutschen Gemüts“ betiteln lassen. Der Ich-Erzähler veranschaulicht den Ernstfall: Was wäre, wenn jeden Abend Weihnachten wäre? und beschreibt die Verfallserscheinungen in der Verwandtschaft, die sich auflöst. Das Resultat: Einzig und allein geht Tante Milla, trotz ihres Weihnachtsfimmels, unbeschädigt aus der Dauerweihnacht hervor.