„Zu viele Leute, zu wenig Menschen“

Manchmal kommt es anders, als man denkt. Eigentlich sollte die Lesung in der „Wanderscheune“ stattfinden, und eigentlich sollte sie mit „Wo kommen die Löcher im Käse her?“ betitelt sein. Dann aber wurden die zahlreichen Gäste in zwei heimelige Kaffeestuben gebeten und auch Käse wurde nicht serviert.

„Ich fand den Text einfach nicht mehr gut“, gestand Rezitator Jürgen Schoormann, dessen „so was passiert eben“ Zustimmung bei der vorwiegend reiferen Zuhörerschaft fand.

Was folgte, das war eine dem neuen Motto gerecht werdende, mal amüsante, mal ernste Stunde mit Kurztexten von Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz, Erich Kästner, dem unvermeidlichen Kurt Tucholsky und der leider weitgehend vergessenen Mascha Kaléko.

„Die habe ich bei einer Lesung in Potsdam entdeckt“, berichtete Schoormann. Der ehemalige Leiter des Viktoria-Luise-Gymnasiums in Hameln hat die 80 mittlerweile knapp überschritten, ist ausgewiesener Jazz- und jahrzehntelanger Schultheater-Experte – und ein fachlich geschulter, ausgezeichneter Rezitator. Zusammen mit seiner ehemaligen Kollegin Heidrun Winkler, einer pensionierten Deutschlehrerin, führte Schoormann die Zuhörerschaft knapp aber treffend in die jeweiligen Literaten-Biografien ein. Da erfuhren die Gäste dann etwas über die starke Mutter-Sohn-Bindung Erich Kästners, ferner dass Joachim Ringelnatz ein Schulabbrecher und Leutnant auf einem kaiserlichen Minensucher im Ersten Weltkrieg war, dass Tucholsky zu Hitler am Ende „nichts mehr einfiel“, und dass die Texte der 1975 gestorbenen Mascha Kaléko voll Tief- und Hintersinn stecken. Texte und Zeilen wie ihre „zeitgemäße Morgenandacht“, in der es heißt, es gäbe „zu viele Leute, aber zu wenige Menschen.“

Neben Weisheiten, wie dass der Pessimist am glücklichsten ist, wenn etwas schiefgeht, oder der kryptischen Feststellung, dass nichts so wird, wie es nun mal ist, erreichten vor allem loriothafte Eheszenen – im Dialog vorgetragen – oder Kästners Visionen des „synthetischen Menschen“ die Gemüter der Zuhörer.

„Das ist auch heute noch alles von beklemmender Aktualität, so eine Besucherin beeindruckt. „Dabei ist das fast schon 100 Jahre alt, kaum zu glauben.“

Und auch Astrid Werner vom Leitungsteam des Flegesser Hofcafés war sichtlich stolz. Gut ein Jahr hatte sie darauf hingewirkt, ihre ehemalige Deutschlehrerin samt Schuldirektor zu einer Lesung ins Flegesser Hofcafé zu holen.