Ackern aus Langeweile

VON KATHARINA WEIßLING

Flegessen. „Uns war einfach langweilig“, sagt Justus Schrader auf die Frage, warum er und sein Freund Joost Brandes im dritten Jahr hobbymäßig etwas Landwirtschaft betreiben. Und weil sie beide vom Land kommen, starteten sie mit dem Naheliegenden und Möglichen. Eine kleine Ackerfläche lag brach, ein alter Fendt-Trecker wurde gerade nicht gebraucht und dann, irgendwo hinten auf den Höfen, auf denen sie leben, verstaubte noch eine altmodische Kartoffelschleuder.

Die Pläne zur ungewöhnlichen Idee waren schnell gemacht. Von einem bekannten Biobetrieb besorgten die Jungs Pflanzkartoffeln, Zwiebeln und noch einiges an Gemüse dazu. „Wir wollten was besonderes machen, nicht ein Getreide das, was hier sowieso überall wächst“, sagt der 16-jährige Joost Brandes, der sonst auch auf dem elterlichen Hof mit anpackt und inzwischen die Landwirtschaftsschule in Hildesheim besucht.

Heute, im dritten Jahr sind sie um wertvolle praktische Erfahrungen und Erkenntnisse reicher und der Landwirtschaft näher denn je. Ihr Fokus hat sich verändert. Auch der 15-jährige KGS-Schüler Justus Schrader kann sich einen Beruf in der Branche vorstellen.

Mit Brandes‘ kleinem Bruder Enno und dessen Freunden haben sie gerade Kartoffeln gepflanzt. Außerdem rote und weiße Zwiebeln gesteckt. Möhren, Pastinaken und Bohnen dagegen sind passé. Die einen kamen im ersten Jahr krumm und kurz in Tierfutterqualität raus, die anderen waren so arbeitsintensiv, dass sie nicht in das Leben zwischen Schule und Praktika passen. Doch gerade an der arbeitsintensiven Sonderkultur Kartoffeln haben die Jugendlichen Spaß. „Das ist ein cooles Gefühl, wenn der Topf mit den gekochten Kartoffeln auf dem Tisch steht, und wir das selbst produziert haben“, sagt Justus Schrader. Die Dimension des Ganzen ist ein weiterer Reiz. „Wir machen nicht nur ein gutes, regionales Produkt sondern so viel davon, dass es weit über unseren eigenen Verzehr hinausgeht.“ – Überfluss, von dem erfahrene Bauern in Entwicklungsländern träumen und der sich in der Dörfergemeinschaft Hasperde, Flegessen Klein Süntel mit Leichtigkeit verkauft. Reich werden die Freunde aus Flegessen damit nicht, doch die Einnahmen reichen, um neue Pflanzkartoffeln und Steckzwiebeln zu kaufen und freiwillige Helfer mit Cola, Gummibärchen und etwas Taschengeld bei Laune zu halten.

Wie gerade die Feldfrüchte gedeihen, kann jeder sehen, der regelmäßig von der Bundesstraße 217 aus nach Flegessen fährt und vor dem ersten Bauernhof nach links schaut. Zwiebeln und Kartoffeln sind seit einer Woche im Boden. Die überschaubare Anlage mit sogenannten Vorgewende sorgt dafür, dass der Kartoffelroder das Feld nachher mit Leichtigkeit befahren kann.

„Das haben wir im ersten Jahr nicht gemacht und die Kartoffeln auch viel zu tief in die Erde gesetzt. Es hat ewig gedauert, bis endlich mal Pflanzen zu sehen waren und war nachher viel mehr Arbeit“, beschreibt Brandes die Lehren der allerersten Anfangszeit. Jetzt sind sie schlauer, auch weil alle Fragen, die entstehen, direkt an Opa Schrader gehen, der sein Wissen bereitwillig weitergibt.

Und passiert ist noch mehr. Weil die Kartoffelernte per Schleuder so mühsam war und die zwei in Kontakt sind mit Profilandwirten auch außerhalb der eigenen Familie, wurde ihnen ein Vollernter angeboten. Deutlich unter Marktpreis, weil er in einem Arbeitsprojekt für Drogenabhängige nicht mehr gebraucht wurde. „Die fanden das, was wir hier machen, auch super“, ergänzt Justus Schrader. Einen Winter lang nahmen sie die Maschine auseinander, überholten sie, setzten sie wieder zusammen. Die Dorfbewohner lieben die Entstehungsgeschichte ihrer Kartoffeln. „Stiel an die Harke, Sonnencreme und Strohhut und los geht’s“, beschreibt Brandes einen Teil der Arbeit. „Wir müssen da keine große Überzeugungsarbeit leisten, um die Sachen zu verkaufen“, ergänzt Schrader. Entsprechend gut gehen die Kartoffeln im Dorfladen oder beim Tür-zu-Tür Verkauf. Viel Handarbeit steckt drin, keinerlei Pflanzenschutzmittel und mit Sicherheit auch ein bisschen Liebe – entstanden aus Langeweile.