„Mama ist zu Hause“

Sie sind knallrot und stapeln sich in der Ecke des Büros: die Jutebeutel mit dem Aufdruck „equal pay day“. Die Taschen verteilen Sina Bruns und ihr Team in der Woche vor dem 18. März, um auf die Lohnlücke von 21 Prozent zwischen Frauen und Männern aufmerksam zu machen.

Das Datum markiert symbolisch den Tag, bis zu dem Frauen im Vergleich zu Männern in der gleichen Position umsonst arbeiten. „Das ist wirklich traurig“, zuckt Bruns mit den Schultern.

Seit vier Monaten ist sie die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Münder. Ein Job mit vielen Facetten. Aktionstage zu organisieren ist nur ein Baustein. „Kein Tag ist wie der andere, und das macht es so spannend“, sagt die 26-Jährige, die als Flüchtlingssozialarbeiterin Ende 2015 zur Stadtverwaltung kam. Sie berät beispielsweise Geschäftsführer, Schulleiter oder Verbände in Sachen Gleichberechtigung. Sie klärt junge Frauen auf, wie wichtig es ist, ein vom Mann unabhängiges Leben mit eigenem Konto und eigener Altersvorsorge zu führen, sie begleitet und unterstützt frisch geschiedene Frauen. Auf ihrem Schreibtisch landet aber auch jede Menge Papierkram. Egal ob es um Stellenpläne, Auswahlverfahren, Arbeitszeitänderungen oder eine Vorlage für einen Fachausschuss geht: die Gleichstellungsbeauftragte muss in Angelegenheiten, die ihren Bereich berühren, beteiligt werden. Bruns: „Ich kann mich einmischen, wo ich möchte.“ Zu tun gibt es noch genug. Mama ist zu Hause und kümmert sich um die Kinder, Papa geht arbeiten: In vielen Familien sei dieses alte Bild leider noch da, bedauert Bruns, die Erziehungswissenschaften und Englisch studiert hat. Dass Mütter einem Vollzeitberuf nachgehen, sei auch in Bad Münder noch nicht vollends gesellschaftsfähig. Speziell bei Jugendlichen soll aufgeklärt werden, dass es mehr als nur ein Modell gibt, liegt ihrer Meinung nach die zukünftige Arbeit: „Da ist noch großer Handlungsbedarf.“ Das betreffe auch weibliche Kräfte in Führungspositionen. Vielen Frauen werde es trotz gleicher und zum Teil besserer Bildungsabschlüsse sowie Führungsqualitäten noch nicht zugetraut, beruflich Verantwortung zu übernehmen. Zur Herzensaufgabe hat es sich die hiesige Gleichstellungsbeauftragte gemacht, Frauen mit Migrationshintergrund zu stärken und sie bei der Vermittlung in den Beruf zu unterstützen. „Ich arbeite jeden Tag mit ihnen zusammen und was ich da manchmal sehe, gefällt mir nicht“, sagt sie. Oft müsse sie Flüchtlingsmänner erst überzeugen, dass hierzulande vieles einfach anders laufe. Bruns‘ Philosophie: „Bücher und Unterlagen kann man zur Seite legen, Menschen nicht“.