Autofahrer durchgefallen

„Den nächsten wink‘ ich raus.“ Lehrer Matthias Brodtmann ist sauer, stinksauer. Die Fahrradprüfung der Grundschule ist gerade zehn Minuten im Gang, da haben schon drei Autofahrer als schlechte Vorbilder gedient.

Dreimal wurde einem Viertklässler auf dem Fahrrad am Laurentiusweg die Vorfahrt genommen – direkt vor den Augen von Eltern, Lehrern und anderen Kindern.

Damit hat sich erneut das bewahrheitet, was Schulleiter Christoph Schieb bereits im Vorfeld befürchtet hatte (wir berichteten): Die Autofahrer, die die Wallstraße befahren, ignorieren regelmäßig die Vorfahrt an der Kreuzung Laurentiusweg – und machen auch am Prüfungstag der Schüler keine Ausnahme. Hinzu kommt: Der Fahrer eines Pickups muss ausgerechnet an dem Vormittag die Parkfläche dort zum Be- und Entladen nutzen. „Das geht jetzt eigentlich gar nicht“, grummelt Brodtmann.

„Das hast du sehr gut gemacht, sehr gut angehalten“, sagt Brodtmann wenige Sekunden später zu einer Schülerin, als der Fahrer eines Audis wieder über die Kreuzung fährt, ohne das Kind auf dem Fahrrad zu beachten. Immer wachsam sein, immer das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer beobachten – diese Lektion gehört auch zur Verkehrserziehung dazu. Aber vorbildliches Verhalten – zu dem nicht nur das Einhalten von Verkehrsregeln, sondern auch die Rücksicht auf schwächere Verkehrsteilnehmer gehören – legen die Autofahrer an der Wallstraße nicht an den Tag.

Das entgeht auch nicht den Polizisten, die an diesem Tag die Prüfung beaufsichtigen. Die Kommissare Mathias Sonnemeyer und Amelie Kehe sind zwar hauptsächlich dazu da, um einen Blick auf die kleinen Prüflinge zu haben. Aber sie nutzen die Situation und kontrollieren gleich die Autofahrer mit. Immerhin vier Autofahrer bekommen eine Quittung von der Polizei.

Sonnemeyer und Kehe nahmen außerdem alle Fahrräder unter die Lupe, die die Kinder mit zur Prüfung brachten. Ein Großteil der Drahtesel bekam die Plakette, die dem Besitzer ein verkehrssicheres Fahrzeug bescheinigt. „Viele kleinere Mängel konnten vor Ort behoben werden“, erklärt Sonnemeyer. Dazu gehörte beispielsweise ein falsch eingestellter Sattel, lose Kabel, teilweise fehlende Reflektoren. Nichts, was nicht mit ein paar Handgriffen von Hausmeister Peter Bergmann zu beheben gewesen wäre. Fünf Fahrräder lassen die Polizisten nicht für den Straßenverkehr zu. So wie alle, die ohnehin kein Zweirad mitbringen, bekommen sie für die Prüfung Leihräder.

Allen Widrigkeiten zum Trotz: Am Ende bestehen alle 80 Schüler die Prüfung, keiner fällt durch. An dreizehn Stationen waren dafür Eltern als Streckenposten im Einsatz, beobachteten, ob die Kinder richtig auf- und absteigen, beim Abbiegen richtig gucken, Vorfahrtsregeln berücksichtigen. Eine der Streckenposten ist Birte Hasic, deren Kind auch gerade die vierte Klasse besucht. „Da meldet man sich gerne freiwillig als Prüfer“, sagt die Mutter, die mit dem Klemmbrett direkt an der Wallstraße Stellung bezogen hat.

„Diese Kreuzung ist offenbar schon zum Politikum geworden“, sagt Schieb im Nachgang zur Prüfung. Denn zwei Tage vorher war sogar das Schild gestohlen worden, das an der Ecke Laurentiusweg zusätzlich auf die Kreuzung und damit die Vorfahrtsregelung in der Tempo-30-Zone hinweist. Auf einmal steckte demnach ein anderes Schild an der Stelle im Boden, das kurzfristig ausgetauscht werden musste. Bis zur Prüfung war die Beschilderung aber wieder korrekt.