Bienensuche im Steinbruch

Die Meldungen sind alarmierend. Die Regierung warnt vor Insektensterben. Autofahrer haben das schon länger bemerkt. War sonst die Frontscheibe schon nach kurzer Fahrzeit voller Insekten, so ist die Scheibe jetzt nach vielen Kilometern fast genauso sauber wie beim Start.

Der Bestand soll sich nach neuesten Angaben seit 1982 um 80 Prozent verringert haben. Darunter sind auch die heimischen Wildbienen. Von den aktuell 585 Arten in Deutschland, davon mehr als 340 in Niedersachsen, gelten gemäß der neuesten ‚Roten Liste‘ bundesweit 53 Prozent und niedersachsenweit sogar 62 Prozent als gefährdet. Der Kenntnisstand der Wildbienenfauna in Niedersachsen ist gegenüber den süddeutschen Bundesländern, allen voran Baden-Württemberg, noch nicht so ausgebaut. Dort ist man mit einem Wildbienenkataster den kleinen Nützlingen schon seit Langem auf der Spur.

Das sogenannte Wildbienen-Monitoring ist ein langwieriger Prozess und erfordert viel Fachwissen und noch mehr Geduld, um die einzelnen Arten zu erfassen. Dazu gehören Kenntnisse der Anatomie, des Standorts und der Beschaffenheit der Nester, Fundorte, Flugzeit (von Frühjahr bis Herbst) sowie deren Blütenbesuche. Die Bestimmung des n Genoms durch das Projekt „Barcode of Life“ (BoL) ist die neueste Methode, um Klarheit über die gefundene Art zu erlangen. Für Laien wird der Versuch der direkten, anatomischen Bestimmung durch mehrere Faktoren erschwert. Es gibt so gut wie keine hilfreiche Literatur. Außerdem hat man in freier Natur keine optischen Hilfsmittel, um die Wildbienenart zu bestimmen. Selbst eine Kamera kann kaum alle relevanten Bestimmungsmerkmale aufnehmen und wiedergeben.

Davon konnten sich jetzt auch die 25 Teilnehmer der ersten Exkursion des Naturschutzbundes (Nabu) Springe ein Bild machen. Darunter: Tobias Gade, Jakob Klucken, Ingo Willenbockel, Bernd Gallas, Bernhard James, Karl Haverkamp, Michael Borgolte und Thomas Maschke. Ziel dieses von der Bingo-Umweltstiftung geförderten Projektes ist die Erfassung und der Schutz der heimischen Wildbienen.

Der Steinbruch am Ebersberg und dessen Ausläufer, der sogenannte Skihang, wurde dafür als das geeignete Refugium auserwählt, um hier die Grundlage für einen Wildbienenführer zu erarbeiten. Jakob Klucken, Mitglied des Nabu und Experte auf dem Gebiet, will den Exkursionsteilnehmern die Vielfalt des Lebensraumes, deren Struktur sowie auch das soziale Verhalten dieser sechsbeinigen Pelzträger vermitteln.

Wildbienen, anders als die domestizierten und völkerbildenden Honigbienen, leben solitär. Das heißt, sie sind Einzelgänger und versorgen nur ihre eigene Brut. Doch wie in der übrigen Fauna gibt es auch hier Arten, die sich nach der Eiablage nicht mehr um ihre Nachkommen kümmern. Die Kuckucksbienen zum Beispiel legen keine eigenen Nester an, sondern schmuggeln ihre Eier in die Brutkammer anderer Bienen.

Die Wildbienen verlieren durch die intensive Landwirtschaft ihren Lebensraum. Denn: Es bleibt kaum noch ein ungemähter Randstreifen stehen. Der Steinbruch in seiner schönen Wildheit zeichnet sich durch den spannenden Wechsel zwischen Wald- und Offenlandlebensräumen aus. Das Gelände bietet den Pflanzenarten einen Raum, den es so in der Kulturlandschaft nicht mehr gibt.

Das Wildbienen-Projekt in Springe ist daher nach Auffassung der Bingo-Umweltstiftung beispielhaft für andere Städte. „Mit dem Wildbienenführer und weiteren Maßnahmen erhoffen wir eine breite Öffentlichkeit zu erreichen“, so Ingo Willenbockel, Vorsitzender des Nabu Springe.